Brandbrief

Berliner Mies-Haus vor ungewisser Zukunft

Das Berliner Mies van der Rohe Haus zeigt Ausstellungen auf kleinem Raum. Nun steht ein benachbartes Wohnhaus zum Verkauf – und könnte die Platzprobleme lösen. Wenn nur der Bezirk schnell handeln würde

Alle lieben das Mies-Haus im Berliner Ortsteil Weißensee. Viele, und zumal die regelmäßigen Besucher kennen auch die Platzprobleme des kleinen, nie als Ausstellungsgebäude gedachten und dafür nur knapp geeigneten Wohnhauses. Und dann tut sich eine Gelegenheit auf, die Probleme auf einen Schlag zu lösen, und es geschieht – nichts.

Mit einem Brandbrief macht der Verein der Freunde und Förderer des Mies van der Rohe Hauses auf die entstandene Notlage aufmerksam. Es ist eine, die selbst im überbürokratisierten Berlin fassungslos macht. Der Reihe nach: Seit Jahren mahnen die Leiterin des Mies-Hauses, Wita Noack, und ihr Freundeskreis eine bauliche Erweiterung an. Benötigt werden Arbeitsräume, vor allem aber ein angemessener Besucherempfang mit den zugehörigen Servicebereichen. Immer wieder wurde vom Bezirk Lichtenberg, zu dem Weißensee gehört und der Träger des Mies-Hauses ist, eine entsprechende Planung versprochen oder zumindest angedeutet.

Nun aber tat sich mit einem Mal eine geradezu ideale Lösung auf. Ein benachbartes Wohnhaus, erst 2008 nach Entwurf der Berliner Architekten Barkow Leibinger erbaut, steht zum Verkauf. Der Eigentümer ist dem Vernehmen nach bereit, ja wünscht sogar, das Haus zum Zwecke der Nutzung durch die Institution Mies-Haus an die öffentliche Hand zu veräußern. "Die Verkaufspreisvorstellung des Eigentümers" – teilt der Freundeskreis in seinem Offenen Brief mit – "bewegen sich im einstelligen Millionenbereich, sofern die Immobilie als Erweiterung des Mies-Hauses in Betracht kommt, was er sehr begrüßen würde, ein befristetes Vorkaufsrecht hat er bereits erklärt."

Chance der Finanzierung durch Sondermittel

Finanzmittel stehen wundersamerweise seitens des Landes Berlin bereit; allerdings nur im laufenden Haushaltsjahr. Um sie abzurufen, müsste der Bezirk einen entsprechenden Antrag an die Senatsverwaltung stellen. Und zwar schnell.

Genau daran hapert es. In seinem Offenen Brief beklagt der Verein, die "erforderliche zeitnahe Antragstellung durch den Bezirk Lichtenberg als Träger des Mies van der Rohe Hauses will aber augenscheinlich nicht gelingen. Umfangreiche Vorprüfungen werden dort für nötig erachtet, die mehrere Monate Zeit in Anspruch nehmen würden. Damit wäre die Chance der Finanzierung durch die Sondermittel, die bis zum Ende des Jahres 2023 verausgabt werden müssen, vertan."

Das Landhaus Lemke ist das letzte Gebäude, das Ludwig Mies van der Rohe, Architekt und dritter Direktor des Bauhauses bis zu dessen Schließung 1933, vor seiner Emigration in die USA in Berlin noch bauen konnte. Es wurde vom Ehepaar Lemke bei Mies in Auftrag gegeben und im Frühjahr 1933 bezogen. Das kinderlose Paar lebte dort bis unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg, als sich die Rote Armee des Anwesens bemächtigte und es zeitweilig als Motorradgarage nutzte. Später wurde das Haus von der SED übernommen, und Mitarbeiter der Staatssicherheit residierten dort wie auch in umliegenden Häusern. Zuletzt diente das Haus der Stasi als Kantine.

Bislang keine Entwicklungsperspektive 

Zur Wende 1989 befand sich das Haus in einem stark vernachlässigten und überformten Zustand. Erst Anfang der 2000er-Jahre konnten Haus und Garten grundlegend restauriert werden. Seither dient das Mies van der Rohe Haus als Kultureinrichtung des Bezirks Lichtenberg - und findet insbesondere mit seinen Ausstellungen zum Werk von Mies auch überregional Resonanz. 

Eine langfristige Entwicklungsperspektive seitens des Bezirks steht allerdings bis heute aus. Fürs Erste wird es beim Charme der räumlich beengten Veranstaltungen bleiben – und der Hoffnung, dass es nicht regnet. Dann ist das kleine Haus mit Besuchern nahezu überfordert.