In der Nacht vom 9. auf den 10. November 1938 wird die große Düsseldorfer Synagoge angezündet. Die Feuerwehr wird angewiesen, die Flammen nicht zu löschen. Mit ihr brennen in der Reichspogromnacht jüdische Einrichtungen und Geschäfte in ganz Deutschland nieder. Zahlreiche Jüdinnen und Juden werden verschleppt, misshandelt oder getötet. Bis heute sind einige Orte, die damals auf Geheiß der Nazis zerstört wurden, vergessen.
In Düsseldorf steht heute ein schmuckloser Neubau anstelle der alten Synagoge. Das Einzige, was an die sakrale Architektur erinnert, ist ein dunkler Steinblock. Er steht am Rande des Bürgersteigs. Will man sich die eingravierte Abbildung des historischen Gebäudes anschauen, steht man schon mit einem Fuß auf dem Fahrradstreifen. Daneben rasen die Autos vorbei. Seit Kurzem hat sich aber etwas verändert: Einige Fahrerinnen und Fahrer drosseln unsicher das Tempo. Denn der Straßenabschnitt vor dem Gedenkstein ist hell erleuchtet. Ein Strahler scheint quer über die Straße auf ein großes Transparent, das vor der Fassade des Neubaus hängt. Darauf zu sehen: Ein großes Bild der alten Synagoge.
"Es ist ein regelrecht physischer Moment des Innehaltens, der hier passiert", sagt der Konzeptkünstler Mischa Kuball. Er hat 2023 das Projekt "Missing link_" gestartet, um die nahezu vergessene Synagoge wieder in Erinnerung zu rufen. "Das hier ist eigentlich ein würdeloser Ort, Hunde pinkelten an den Gedenkstein, die gesamte Umgebung wirkte ungepflegt. Mit meiner Installation will ich diesen Ort deutlich aufwerten", erzählt er.
Schmerzlich aktuelle Bedeutung
In Anbetracht des Angriffs der Hamas auf Israel und dessen Folgen scheint das Erinnern an die Novemberpogrome dieses Jahr wichtiger denn je. Das ist aber manchmal gar nicht so einfach. Denn Gedenksteine und -tafeln, haben häufig ein Problem: Sie sind meistens zurückhaltend und verschwinden im Stadtbild. Im schlimmsten Fall werden sie eben zu Hundetoiletten. Eine Lichtinstallation kann da eine größere Wirkung erzielen.
Aber auch Licht ist ein heikles Material. Nicht zuletzt haben es die Nazis für ihre Hetze eingesetzt. Dort stand es für Überwältigung und aggressive Macht. Berühmt geworden ist vor allem der "Lichtdom" von Albert Speer. Bei den Nürnberger Reichsparteitagen der Nazis wurden dafür meterhohe Scheinwerfersäulen in den Himmel geschickt und bildeten so ein immaterielles Monument.
Künstlerinnen und Künstler, die heute mit Licht arbeiten, sollten sich also bewusst sein, welche historische Kodierung dem Material anhaftet, sagt Mischa Kuball. "Ich habe selbst einmal beinahe den Fehler gemacht, mich nicht klar genug davon abzugrenzen", erzählt er. Er habe für ein Projekt in der Synagoge Stommeln Hochleistungsscheinwerfer benutzen wollen, um sie von innen heraus auszustrahlen. Er sei aber rechtzeitig von einem Freund auf die ikonografische Parallele hingewiesen worden und habe dann eine andere Formulierung gefunden.
Statement in der Stadtlandschaft
Die Lichtführung der Düsseldorfer Installation ist zurückhaltend, aber ausreichend, um Aufmerksamkeit zu erzeugen. Vor allem aber ist sie durch den aktuellen politischen Kontext zu einem Statement in der Stadtlandschaft geworden.
Dass seine Installation, auf der deutlich der Davidstern zu sehen ist, eventuell beschädigt werden könnte, befürchtet Kuball nicht. "Ich bin überzeugt, dass das bewusste Sichtbarmachen von jüdischer Kultur und jüdischem Leben den gemeinsamen Dialog eher verstärken kann". Vielleicht kann die vergessene Düsseldorfer Synagoge also durch die Lichtinstallation ein zum Frieden aufrufendes Mahnmal werden. Denn Dialogräume braucht es in Zeiten des Nahost-Krieges mehr denn je. Künstlerinnen und Künstler könnten diese Räume erschaffen – sie müssen es nur wollen.
Dieser Artikel ist die aktualisierte Version eines Artikels, der vor einem Jahr anlässlich des Probeaufbaus der Installation zu sehen war