Medienschau

"Alles ist weggebrochen aufgrund einer Verdachtsberichterstattung"

artikelbild_monopol-medienschau

Hito Steyerl und Leon Kahane über Antisemitismus im Kunstbetrieb, ZKM-Chef Hudson über KI und Johann Königs Anwalt über seinen Mandanten nach den MeToo-Vorwüfen: Das ist unsere Presseschau am Montag

Nahostkonflikt

Die Künstlerin Hito Steyerl spricht mit Ulrike Knöfel vom "Spiegel" über den umstrittenen offenen Brief einiger Künstlerinnen und Künstler im "Artforum", der ein Ende der Gewalt gegen palästinensische Zivilisten forderte ohne den Hamas-Terror zu verurteilen. "Aber es haben etliche Unterzeichner ihre Unterschrift aufgrund ihrer Einseitigkeit auch wieder zurückgezogen. So ist durch diese Aktion immerhin sehr klar geworden, dass viele Künstler und Künstlerinnen nicht genau nachdenken, bevor sie solche Briefe unterschreiben. Sie erliegen schlicht der Dynamik der sozialen Medien, da wird eine Art Herdentrieb erzeugt." Sie sei sehr "bestürzt über die Einseitigkeit dieses Briefes" gewesen. Mehr zur Diskussion um den Brief und die daraus resultierende Entlassung des "Artforum"-Chefredakteurs lesen Sie in unserer Zusammenfassung.  

Der Künstler Leon Kahane sieht im "taz"-Interview mit Jean-Philipp Baeck das Problem in der Abwertung von Aufklärung und Moderne im deutschen und internationalen Kunstbetrieb. Einen Vorläufer sieht er bei Joseph Beuys: "Für Joseph Beuys lagen die Ursprünge von Auschwitz in der Moderne, im westlichen Materialismus. Und er sagte auch: Moses war der erste Materialist. Für ihn waren die Juden also die Urheber ihres eigenen Schicksals. Dabei war Auschwitz das Ergebnis einer antimodernen, antisemitischen, völkischen, essentialistischen Ideologie. Beuys teilte die Menschen auf, in intellektualistische und rationalistische 'Westmenschen' und in ursprüngliche authentische 'Ostmenschen' mit 'altem Wissen', einem 'tiefen Seelengefühl' und aufgeladen mit diesem ganzen anthroposophischen Mist. Leider haben wir sowas auch letztes Jahr auf der Documenta 15 gesehen."

Zu einer ähnlichen Diagnose kommt auch Philipp Bovermann, der in der "SZ" den in der Kunstwelt beliebten Postkolonialismus in den Blick nimmt: "Das postkoloniale Denken gab den entwurzelten Völkern, die der Kolonialismus zurückließ, Vertrauen in sich selbst zurück. Es befreite auch den Westen von einigen seiner Vorurteile, lehrte ihn Demut. Es löste rassistische Zuschreibungen auf - schuf dann aber neue. Postkoloniale Theoretiker und Kuratoren sind häufig geradezu vernarrt in andere Formen des Wissens, in Rituale und Spiritualität. Die rationalistischen Traditionen fremder Völker sind da weniger interessant, vielleicht aus Angst, wieder nur sich selbst im anderen zu erkennen. Rationalismus ist angeblich westliche Anmaßung. So kehrt der Orientalismus über die Hintertür zurück."

KI

Der Leiter des Zentrums für Kunst und Medien Karlsruhe (ZKM), Alistair Hudson, möchte den Menschen die Angst vor der rasanten Entwicklung im Bereich der Künstlichen Intelligenz (KI) nehmen. Man könne lernen, diese Technologien zu kontrollieren. "Und das wollen wir erforschen und vermitteln", sagte er den "Badischen Neuesten Nachrichten". Um dies zu erreichen, plane das ZKM zum Beispiel ein Projekt mit dem Karlsruher Kollektiv Robotlab. Im Rahmen des Projekts würden Menschen zum Gespräch mit Robotern eingeladen. "Durch diese Kommunikationswege können wir anschaulich machen, wie maschinelles Lernen funktioniert", sagte Hudson. Der Unterschied zu einem Online-Chat mit der KI ChatGPT bestehe darin, dass man dem Roboter ganz real begegnen könne. Der Brite sagte: "Bei den Robotern kann man direkt sehen, wie sie etwas lernen und ausführen. Das ist wichtig für eine vertrauensvolle Zusammenarbeit, die zum Beispiel in der Medizin immer wichtiger wird." Hudson ist seit Anfang April Vorstand des ZKM und Nachfolger des Anfang März verstorbenen Medienkünstlers Peter Weibel. Weibel hatte das ZKM von 1999 bis zu seinem Tod geführt und dem Haus zu internationalem Renommee verholfen.

Berichterstattung

Im "NZZ"-Interview berichtet Anwalt Simon Bergmann, Partner der Kanzlei Schertz Bergmann in Berlin, über Mandanten, die in der deutschen Presse mit #MeToo-Vorwürfen konfrontiert wurden, vor allem über Rammstein-Sänger Till Lindemann. Aber auch der Berliner Galeristen Johann König wird erwähnt, dem Frauen in der "Zeit" sexuelle Belästigung vorwarfen und den Bergmann einen seiner "schlimmsten Fälle" nennt: "Es lag aus meiner Sicht viel zu wenig vor. Es hätte niemals darüber berichtet werden dürfen. Wir erwirkten fünf einstweilige Verfügungen gegen die 'Zeit', weite Teile der Berichterstattung wurden untersagt, und der Artikel musste erheblich gekürzt werden. Und trotzdem hat der Mann mehr als die Hälfte seiner weltweit bekannten Künstler nicht mehr im Programm. Sie haben seine Galerie verlassen. Er wurde vorher an jede Messe eingeladen, heute nicht mehr. Alles ist weggebrochen aufgrund einer Verdachtsberichterstattung."

Film

Regisseur David Fincher ("Fight Club", "Sieben") sieht angesichts der Erfolge der Streamingdienste einen Bedeutungsverlust der Kinos. "Ich weiß, es gibt da alle möglichen Heulsusen, die das Ende des filmischen Erzählens bejammern. Aber da widerspreche ich entschieden", sagte der 61-Jährige der "Augsburger Allgemeinen". "Es muss nicht jeder Film auf einer großen Leinwand laufen." Er verspüre keinerlei Hang zur Nostalgie. "Wenn es um die Bildauflösung geht, dann hat Netflix die Nase vorn", sagte der US-Amerikaner, der auch die Serie "House of Cards" produzierte. "Effektiv schauen die Leute zu Hause auf ein viel größeres Bild. Das ist die Realität." Angesprochen auf die Kino-Erfolge von "Barbie" und "Oppenheimer" sagte er, die Zahlen seien großartig. "Aber bedeutet das, dass die Filmtheater aufgerüstet werden? Werden alle riesige Leinwände mit Laserprojektoren und modernstem Soundsystem bekommen? Nein." Die Kinobesitzer investierten die Profite nicht, "sondern stecken sie in die eigene Tasche".

Halloween 

Auch wenige Tage vor dem 31. Oktober will Heidi Klum (50) über ihr Kostüm für das diesjährige Halloweenfest nicht viel verraten. Nur so viel konnte ihr US-Talkmaster Jimmy Fallon entlocken: Es werde "gigantisch" sein, sagte das deutsche Model in der "Tonight Show". Sie müsse dafür in Manhattan eigens ein paar Straßen sperren lassen, was sehr schwierig sei, setzte Klum grinsend hinzu. Komiker Fallon mutmaßte daraufhin, dass Klum als riesiger Transformers-Robotertruck erscheinen werde. Sie schwöre, das sei es nicht, konterte Klum. Die gebürtige Rheinländerin Klum richtete im Jahr 2000 ihre erste große Halloween-Party aus. In New York werden auch diesmal viele Gäste zu dem Event erwartet.