Kunstmessen

9 Highlights der Paris+ und Paris International

Es ist Kunstwoche in der französischen Hauptstadt: Auf den beiden Messen Paris+ par Art Basel und Paris International buhlen die Galerien um Käuferschaft. Es gibt einiges zu entdecken. Unsere Highlights

Isabella Bortolozzi auf der Paris+

Die Pariser haben zum Eiffelturm ein ähnliches Verhältnis wie die New Yorker zu prominenten Einwohnher ihrer Stadt - man zeigt sich auf gar keinen Fall irgendwie beeindruckt oder macht gar Fotos. Daran kann man die Einheimischen von den anderen unterscheiden. Isabella Bortolozzi zeigt an ihrem Messestand auf der Paris + große Fotoarbeiten mit dem Effelturm-Motiv. Die beiden Wahlberliner Calla Henkel und Max Pitegoff haben sie gemacht. Das Wahrzeichen ist in gelbliches Licht getaucht und verschwommen, wie eine Fata Morgana. Ein anderes Duo zeigt hier beeindruckende neue Arbeiten: Hannah Quinlan und Rosie Hastings machen Freskomalerei, ein sehr aufwendiges Verfahren, bei dem der Untergrund immer feucht bleben muss. Ihre urbanen zeitgenössischen Szenen, die sie mit lebensgroßen Figuren normalerweise auf Wände malen, haben sie jetzt auch gerahmt.  


Sadie Coles auf der Paris+

Im Mittelpunkt des Standes von Sadie Coles steht die großformatige Skulptur "Six Cent Soixante Six" von Sarah Lucas, gelber Triumph TR6, der mit Lucas‘ ikonischen Bunny-Figuren bestückt ist, die sich mit komplementär lilafarbenen Plateauschuhen auf der Motorhaube und auf den Sitzen räkeln. Lucas wird gerade in der Tate Britain mit einer großen Schau gezeigt, die Cabrio-Arbeit ist erstmals außerhalb von Großbritannien zu sehen.

Flankiert wird der Flitzer thematisch von einem Biker-Girl von Richard Prince, einer Staßen-Szene von Wilhelm Sasnal und einem brandneuen Gemälde von Alvaro Barrington, eine Fortsetzung seiner Hibiskus-Serie, der Nationalblume Jamaikas und für ihn Symbol für Gemeinschaft, Feiern, Sexualität und Nostalgie. Rasant, ironisch und poppig kuratiert.

 

Galerie Allen auf der Paris+

Die Pariser Galerie Allen setzt all der wohlkuratierten Konzentration aufs Wesentliche eine ziemliche Unordnung entgegen: Jason Dodge hat eine Bodenarbeit gemacht, die die gesamte Koje so aussehen lässt, als hätte jemand einen großen Müllbeutel voll vernichteter Akten und anderer Abfälle auf dem Teppich verteilt. Man läuft darauf herum, sogar Dollarmünzen sind darunter. Normalerweise sind es nur wenige Gegenstände, die Jason Dodge (*1969 in Pennsylvania) in seinen Installationen verwendet, um eine rätselhafte Geschichte und Anknüpfungspunkte für eigene Assoziationen herzustellen. Hier ist die Story eine schwer zu entziffernde Materialschlacht auf wertlosem Niveau, die ausgreift auf die anderen Stände.


Felix Gaudlitz auf der Paris+

In der Videoarbeit von Jenna Bliss, die beim jungen Wiener Galeristen Felix Gaudlitz gezeigt wird, ist die Story wie folgt: Ein Galerist entschließt sich, an einer Kunstmesse teilzunehmen und muss die Kommentare der kritischen Besucher mitbekommen. Am Ende packen die arthandler – die für Transport und Logistik zuständigen Dienstleister – die Werke wieder ein und beschließen, wenn das so einfach sei, könnten sie auch selbst Kunst machen und eine Galerie eröffnen. Die Künstlerin hat für den Film die Werke selbst hergestellt – Collagen mit Britney Spears oder Skulpturen aus Müll. Der Film hält sich ziemlich gut an den Grenzen dessen auf, was tatsächlich gesagt und gemacht werden könnte und unterläuft das Ganze mit einer gewissen Seifenopernhaftigkeit. Die Praxis der US-amerikanischen Künstlerin und Filmemacherin Jenna Bliss (*1984) ist geprägt von der genauen Beobachtung ihrer unmittelbaren Umgebung und Verbindungen zwischen wirtschaftlichen und sozialen Kräften, zuletzt ging es ihr vor allem um die Effekte der Krise auf die Wall Street.


Joey Holder bei Seventeen Gallery auf der Paris+

Eine Top-Messe wie die Paris+ par Art Basel mit ihrem komplizierten VIP-System – wer darf wann rein, und wie lang ist die Schlange vor der VIP-Lounge schon wieder? – lebt geradezu davon, dass manche Menschen wichtiger sein wollen als andere. Zeit also, Gleichheit zu fordern – allerdings ist es in diesem Fall die tierische und pflanzliche Welt, die zu ihrem Recht kommen soll. Queere Ökologie, so informiert die Künstlerin Joey Holder am Stand der Londoner Seventeen Gallery, geht gegen den Anthropozentrismus an und will den Dualismus von Mensch und Natur aufheben. So weit, so bekannt. Aber die Installation, die die finnisch-britische Künstlerin in dem Förderstand ihrer Galerie zeigt, sieht ziemlich abgefahren aus. Eingelassen in eine mit feinen Zeichnungen überzogenen Wand aus schwarze Acryl sind Filme, die sich bewegende, morphende, organische Formen zeigen: Plankton, Bakterien, Kleinstlebewesen, deren Darstellung Holder teils aus biologischen Forschungen übernimmt, teils mit Hilfe von KI imaginiert. Ihre Installation wirkt wie eine Mischung aus alchimistischem Hexenwerk und ultramoderner Wissenschaft – und der Soundtrack dazu stammt von der visionären Musikproduzentin Ptwiggs.


Mohamad Abdouni bei Marfa auf der Paris+

Die Räume der Galerie Marfa in Beirut gehörten zu denen, die bei der schrecklichen Explosion 2020 zerstört wurden – eine weitere Katastrophe in der von jahrelangem Bürgerkrieg gezeichneten Stadt. In diesem Kontext erscheint kulturelles Erbe umso wichtiger. Mohamad Abdouni konzentriert sich in einem Archivprojekt auf einen kaum bekannten Teil der Geschichte seiner Stadt: die der transsexuellen Communities des Libanon seit den 1980er-Jahren. Über 300 Fotografien aus der Szene sind in der Arab Image Foundation gesammelt. Was Abdouni am Stand der Galerie Marfa präsentiert, ist allerdings eine gewagte künstlerische Weiterentwicklung des Archivmaterials: Abdouni hat mit Hilfe von KI neue Bilder generiert und das schmale Archiv fiktiv erweitert. Das Ergebnis ist ein flirrender Zwitter zwischen Dokumentation und Fiktion.


Rirkrit Tiravanija & Vivien Zhang bei Pilar Corrias

Auf den ersten Blick denkt man, dass der Stand von Pilar Corrias von einer einzigen Gesamtinstallation bespielt wird, so gut passt die Malerei von Vivien Zhang auf die Wandtapete von Rirkrit Tiravanija. Tiravanija, zurzeit wegen seiner großen Retrospektive im MoMA PS1 sehr präsent, zitiert dort eine Lebensbaum-Grafik des deutschen Zoologen und Zeichners Erich Haeckel aus dem 19. Jahrhundert, ein früher Versuch, Biodiversität und die komplexen Interdependenzen aller Lebensformen abzubilden. Auch die 1990 geborene Vivien Zhang bezieht sich ihrer abstrakt anmutenden Malerei auf Systeme der Klassifikation, auf Kartographie und ihre Verzerrungen.


House of Gaga auf der Paris Internationale

Die Paris International wird auch in diesem Jahr ihrem Ruf als innovative hippe Alternative gerecht. In den hellen Räumen einer bis auf die Mauern entkernten ehemaligen Telefonzentrale aus der Zeit des Art Déco finden 65 Galerien entspannt Platz. Das Angebot ist sehr international und vermeidet teure Konvention genauso zuverlässig wie Trash – und es macht Spaß. Viele Galerien zeigen Einzelpräsentationen oder originelle Zweier-Kombinationen. So werden bei House auf Gaga aus Mexiko-Stadt von Heji Shin brillant fotografierte Kamele – gibt es eigentlich lustigere Tiere? – von poetischen Keramikvögel von Marc Camille Chaimowitcz umflattert.


Zoe Williams bei Ciaccia Levi auf der Paris Internationale

Gruselig, erotisch, hexenhaft, in komplett übertriebenen Bonbonfarben gehalten: die weiblichen Fabelwesen, die die Britin Zoe Williams aus Keramik erschafft, sind so monströs wie wunderbar. Pink-grünliche Spiegel, die nicht spiegeln, und säulenartige Blumentöpfe komplettieren das Ensemble. In ihren Zeichnungen und Malereien sieht man dann noch deutlicher, worum es geht: Vulven, Dildos, die Feier der Kraft des weiblichen Körpers. Beim nächsten Tête-à-Tête hätte man sehr gerne den romantischen Kerzenleuchter aus dem zerfließenden Keramik-Damenschuh im Haus.