Medienschau

"Niemand hat bislang eine bessere Kraft gegen das Sterben erfunden als die Kunst"

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Gilbert & George übers Altern, Diskussion über eine "Kraft des Hijab"-Skulptur in Birmingham und was wirklich gegen die Wohnungsnot in Deutschland hilft: Das ist unsere Presseschau am Dienstag

Debatte

In der "NZZ" empört sich Lucien Scherrer über eine jetzt in Birmingham aufgestellte Skulptur, die die "Kraft des Hijab" demonstrieren soll. Während etwa im Iran Frauen, die gegen den Hijab-Zwang protestierten, ins Gefängnis geworfen, misshandelt oder getötet würden, werde der Hijab in Europa immer wieder verklärt und missverstanden. "Aktivisten und Institutionen, die angeblich für Toleranz und Menschenrechte kämpfen, betrachten ihn als Ausdruck von Minderheiten-Empowerment, Feminismus und Antirassismus", so Scherrer, und ignorierten, "dass Diversity und religiöser Fundamentalismus schwer zusammenpassen". "Für dieses Wegsehen ist die Hijab-Statue von Smethwick ein perfektes Mahnmal."

Am gestrigen Montag fand der sogenannte Wohngipfel im Kanzleramt statt, eingeladen hatte Bundeskanzler Olaf Scholz, der im Wahlkampf jährlich 400000 neue Wohnungen in Aussicht gestellt hatte – ein Ziel, das in immer weitere Ferne rückt: Aktuell scheint gerade einmal die Hälfte realistisch. Mittlerweile nehme die Wohnungsnot nicht nur in Metropolen, sondern auch in den Speckgürtel und in Mittelstädten zu, schreibt Gerhard Matzig in der "SZ" und blickt auf die Ursachen. "Das Problem in Deutschland im Vergleich zu nahezu allen anderen Ländern der Welt heißt: Es gibt zu viel von allem, was als Baunorm oder Bauprodukt nicht dem Bau von Räumen, sondern nur dem teuren Überbau raumgreifender Bedenken zugute kommt." 3500 Baunormen seien beim Bau in Deutschland zu beachten, "das ist Weltrekord". Matzigs Lösungsvorschlag klingt so schlüsselfertig, dass man sofort einziehen möchte: "Baut endlich einfachere Häuser. Wie früher. Damals ist Wohnraum entstanden, der so war: praktisch, schön und bezahlbar."

Kunstmarkt

Tobias Timm nimmt in der "Zeit" die Enthüllungen um die Kunstsammlung von Oligarch Roman Abramowitsch zum Anlass, um auf ein Problem des Kunstmarkts aufmerksam zu machen: Kunst sei ein perfektes Vehikel, "um Vermögen zu vermehren, zu verschieben und dieses vor Finanzbehörden und anderen staatlichen Zugriffen zu verstecken." Es bräuchte eine Art globales Grundbuchamt für Kunst, schreibt Timm, ein öffentliches Werkverzeichnis. "Es würde helfen, Betrügereien und Fälschungen zu verhindern. Und vielleicht langfristig dafür sorgen, dass gerade die wertvollste Kunst wieder sichtbarer wird."

Interview

Thomas Bärnthaler hat für das "SZ"-Magazin ein langes Gespräch mit dem Londoner Künstlerpaar Gilbert & George über Tweed-Anzüge, den Brexit, ihr Konservativsein, Warhol, Bowie und das Swinging London geführt. Auf die Frage, wie sich das Alter anfühlt, antwortet Gilbert Prousch: "Man fällt auseinander." Und George Passmore: "Wenigstens leben wir ewig, denn niemand hat bislang eine bessere Kraft gegen das Sterben erfunden als die Kunst." 

Ausstellung

Am Sonntag wurde im New Yorker Metropolitan Museum of Art die Blockbuster-Show "Manet/Degas" eröffnet, in der 160 Werke der beiden französischen Meister gezeigt werden. "SZ"-Korrespondent Christian Zaschke hat sich die Ausstellung angeschaut und ist hellauf begeistert. "Manet/Degas" habe alles, "was man sich von einer Kunstausstellung wünschen kann. Sie ist exzellent kuratiert und wunderbar präsentiert, sie ist erhellend, ohne belehrend zu sein. Sie ist zweifellos, jetzt schon, der Höhepunkt der Saison.“