Medienschau

Jagd auf missliebige Künstler in ganz Russland

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Die kurze, traurige Geschichte russischer Gegenwartskunst, Neuigkeiten beim Galeristen Kamel Mennour und weiter Diskussionbedarf beim Fotoinstitut: Das ist unsere Presseschau am Mittwoch

Debatte

Weiter geht's mit der Diskussion um das Deutsche Fotoinstitut, das zwar jetzt ein Gründungsteam hat, aber als Idee noch viele Fragen offen lässt, wie Christiane Fricke im "Handelsblatt" findet. Die geplante Einrichtung konzentriere sich zu sehr auf künstlerische Fotografie, die doch nur einen Teil der Fotografiegeschichte ausmache. Es fehle im Gremium "die Kompetenz aus den Bereichen Archive und Wissenschaft, auch aus dem Osten Deutschlands." 

Porträt

Katharina Rustler porträtiert im "Standard" den Belvedere-Art-Award-Preisträger Robert Gabris, der sich für die Sichtbarkeit queerer Roma-Communities einsetzt und "Diversity-Washing" in der Kunstwelt kritisiert. "Das Preisgeld des Belvedere Art Award von 20.000 Euro steckt der Künstler zu einem Großteil in die Unterstützung der Roma-Community in der Slowakei, in der er auch geboren wurde. Mit seinem Partner hilft er dort bei Renovierungsarbeiten. Er sehe es als seine Aufgabe, als erfolgreicher Künstler in einer privilegierten Gesellschaft die Ressourcen umzuverteilen, sagt er."

Der Modedesigner Thom Browne, bekannt für seine grauen Anzüge, wird von Rachel Syme im "New Yorker" vorgestellt. Die Bilder dazu haben Maurizio Cattelan and Pierpaolo Ferrari gemacht, allein deshalb lohnt sich das Porträt. 

Kunstmarkt

Im "Figaro" berichtet Valérie Duponchelle, dass der Pariser Galerist Kamel Mennour das Mennour-Institut ins Leben ruft. Es lobt zwei Stipendien in Höhe von je 5000 Euro für Doktoranden aus, einen Zuschuss in Höhe von 1000 Euro zum Eugène-Carrière-Preis der Académie française für die nächsten fünf Jahre und ein Seminar an der Ecole du Louvre. Es gehe darum, "Kunst und ihre Verbreitung an ein möglichst breites Publikum zu fördern." Rechtlich wird dazu allerdings kein eigenes Konstrukt geschaffen, sondern das "Institut" ist Teil der Galerie.

Nachruf 

Hans-Joachim Müller schreibt in der "Welt" einen Nachruf auf Fernando Botero. "Zur Belebung gehört bei ihm die Beleibung. Davon scheint der Maler seit den Fünfzigerjahren überzeugt. Es ist wie eine handschriftliche Signatur, die man sich mit aller Willensaufbietung nicht mehr abgewöhnen kann. Wie diszipliniert auch immer die Linie von ihrem einen Punkt aus startet, wie diszipliniert sie den anderen ansteuert, sie kann nicht anders, als dem genuin Dicken zur Erscheinung zu verhelfen."

Interview

Für das Kunstmagazin "Parnass" unterhält sich Lisa Moravec mit dem österreichischen Künstler Günter Brus, der am 27. September 85 Jahre alt wird. Der Vertreter der Body Art erklärt darin, worum es ihm und den Wiener Aktionisten in den 1950er- und 1960er-Jahren ging: "Wir strebten danach, die Kunst zu verändern, und vielleicht hatten wir unterbewusst auch die Hoffnung, dadurch die Gesellschaft ein wenig zu verändern. Mir ist aufgefallen, dass es heute im Vergleich zu den 1970er- und 1980er-Jahren konservativ geworden ist. Also echt prüde. Diese Zeit war von einer gewollten sexuellen Befreiung geprägt, die nicht gelungen ist."

Kunstgeschichte

"Die Geschichte der zeitgenössischen Kunst in Russland begann während der Perestroika und endete mit dem Beginn des Einmarschs in die Ukraine", schreibt der Kunsthistoriker Konstantin Akinsha in einem Abriss der russischen Gegenwartskunst in der "NZZ": "Der Wind ist zurückgekehrt, er bewegt sich im Kreis, und so machen erneut Kunstkritiker in Zivil (diesmal nicht vom KGB, sondern vom Zentrum für die Bekämpfung des Extremismus) Jagd auf missliebige Künstler in ganz Russland. Der Unterschied zur Sowjetzeit besteht in der Härte der Repressionen, aber auch im fehlenden Interesse am Schicksal der Opfer sowohl in den internationalen als auch in den russischen oppositionellen Medien."

Ausstellung

In der "Taz" bespricht Jan-Paul Koopmann eine Ausstellung von Louisa Clement im Bremer Paula Modersohn-Becker Museum, wo sprechende Chatbot-Figuren – Doppelgängerinnen der Bonner Künstlerin – auf Modersohn-Becker-Bilder starren.  "Die künstliche Clement spricht im Namen der echten, und beantwortet schamlos auch persönliche Fragen vom Lieblingsessen bis zu Freun­d:in­nen und Sexualität."