Die "New York Times" prophezeit das Ende der Kunsthändler-Dynastie der Wildensteins, die "NZZ" beäugt Bonaventure Ndikung weiterhin misstrauisch und die "FAZ" will lieber vergeigte Berliner Neubauten umfunktionieren, als das Tempelhofer Feld zu bebauen: Das ist unsere Presseschau am Mittwoch
Debatte
In der "NZZ" liefert Paul Jandl den x-ten Aufguss der Frage nach der "politischen Agenda" von Bonaventure Ndikung, den neuen Intendanten des Haus der Kulturen der Welt in Berlin. Es geht in der Debatte um angeblichen Israelhass und eine Nähe zur antiisraelischen Boykottbewegung BDS. Festgemacht wurde dies neben seiner kuratorischen Tätigkeit vor allem an einem neun Jahre alten Facebook-Post, den Ndikung nach einem israelischen Angriff auf eine UN-Schule in einem Flüchtlingslager in Gaza absetzte. Dabei kann Jandl der neuen Ausrichtung des Hauses durchaus was abgewinnen, "alles nebeneinander, bunt und freundlich. Es ist eine Utopie, die in den sonst düsteren Hallen des Fünfziger-Jahre-Baus etwas erschlagend Schlüssiges hat." Aber: "Wer behauptet, dass es ganz einfach sei, Konvivialität von Meinungen herzustellen, der täuscht entweder sich selbst oder die anderen. Am Haus der Kulturen der Welt wird man die BDS-Debatte noch nicht zu den Akten legen können."
Niklas Maak schreibt in der "FAZ" über die Zukunft des Tempelhofer Felds in Berlin und kommt angesichts des für eine Bebauung häufig vorgebrachten Arguments der Wohnungsnot zu dem Schluss: "Vielleicht liegt die Zukunft der Stadt eher im Umbau ihrer neuen Ruinen als auf dem offenen Feld."
"Oppenheimer"-Darstellerin Florence Pugh warnt vor Bodyshaming gegen Frauen im Internet. "Es ist die Freiheit, vor der die Menschen Angst haben; die Tatsache, dass ich mich wohl und glücklich fühle", sagte die 27-jährige Britin der Zeitschrift "Elle UK". "Frauen mit Kommentaren zu ihren Körpern zu kontrollieren, hat schon sehr lange funktioniert." Sie werde "die Zellulitis an meiner Hüfte und die Falte zwischen meinem Arm und meiner Titte" nicht verstecken. "Ich würde eher alles offenlegen." Pugh hatte sich im vorigen Jahr bei einer Valentino-Show in einem transparenten Kleid gezeigt und anschließend zahlreiche kritische und beleidigende Kommentare erhalten. "Ich denke, das Schlimmste für mich sind die Momente, in denen sich die Leute darüber aufregen, dass ich 'zu viel' von mir gezeigt habe. Leider haben wir so große Angst vor dem menschlichen Körper, dass wir meine beiden kleinen süßen Brustwarzen hinter Stoff nicht einmal auf eine Art und Weise betrachten können, die nicht sexuell ist." Die Schauspielerin betonte: "Wir müssen alle immer wieder daran erinnern, dass es mehr als einen Grund für die Existenz weiblicher Körper gibt."
Porträt
Privatjets, Schlösser und ein Keller voll van Goghs: Für den Kunsthandel ist der Wildenstein-Clan, was die Rothschilds fürs Bankgeschäft sind. Sagenhaft reich, zwanghaft diskret und der Konkurrenz immer einen Schritt voraus. Im "New York Times Magazine" erzählt Rachel Corbett nun die Familiengeschichte - und vermeldet drohendes Ungemach, das sogar das Ende der Dynastie bedeuten könnte: Im September müssen sich Mitglieder der Familie erneut wegen des Verdachts auf Steuerbetrug vor Gericht verantworten. "Die Folgen könnten mehr als nur das Kunstimperium der Familie zum Einsturz bringen. Der Fall bietet einen ungewöhnlichen Einblick in die Art und Weise, wie die Ultrareichen den Kunstmarkt nutzen, um Steuern zu hinterziehen - und manchmal Schlimmeres."
Städtetipps
Cecilia Alemani, Kuratorin der vergangenen Kunstbiennale von Venedig, entflieht den Menschenmassen in der Lagunenstadt in einem geheimen Garten hinter dem Markusplatz, wie sie in ihren Städtetipps dem "Cultured"-Magazin verraten hat. Welches Viertel empfiehlt sie den Besuchern? Das in den 1920er-Jahren erbaute Sant'Elena hinter den Giardini, das "sich ganz anders anfühlt als der Rest von Venedig".
Museen
Der Ukraine-Krieg hat auch die russischen Museen längst erreicht. In "The Art Newspaper" berichtet Sophia Kishkovsky von einem an der Front gefallenen Mitarbeiter der Tretjakow-Galerie in Moskau. Wladislaw Polenow "geriet erstmals in die Schlagzeilen, als seine Familie den Kontakt zu ihm verlor, nachdem er im September letzten Jahres im Rahmen der von Präsident Wladimir Putin eingeleiteten Teilmobilisierung eingezogen worden war, in deren Folge Hunderttausende russischer Männer das Land verließen."
Kunstmarkt
"Ein Schnäppchen" nennt Evelyn Vogel in der "SZ" den Ankauf der "Großen Welle" von Hokusai für eine Millionensumme durch die Bayerische Staatsbibliothek. Denn "kürzlich wurde eine Hokusai-Welle für 2,76 Millionen Dollar bei Christie's in New York versteigert. Ein neuer Rekord. Das Blatt zählt nach Ansicht von Experten zu den zwanzig am besten erhaltenen Exemplaren des Hokusai-Bildes." Jedoch relativiert sich dieser Preis etwas, denn es "ist nicht bekannt, wie viele Blätter auf Hokusais Original-Holzstock gedruckt wurden. Manche schätzen, es könnten an die 8000 gewesen sein."
Ausstellung
In der "NZZ" bespricht Philipp Meier die Ausstellung "Alberto Giacometti. Porträt des Künstlers als junger Mann" im Bündner Kunstmuseum, in der es auch um die Beziehung des Bildhauers zu seinem Vater Giovanni geht. "Noch nie aber hat man Alberto Giacometti ganz aus seinem frühen Schaffen heraus gezeigt und zu verstehen versucht. Der Ansatz hat sich gelohnt. Aus einer angedachten Kabinettausstellung wurde rasch eine ausgewachsene Schau – die Fülle des ans Licht geförderten Materials machte es möglich."
Die "SZ" porträtiert den japanischen Fotografen Daido Moriyama, dessen aktuelle am C/O Berlin zu sehende Retrospektive im Herbst nach London wandert. "Es gibt Ausstellungen, die sind wie Rockstars", schreibt ein begeisterter Andrian Kreye - und meint damit die Schau in Berlin. "Sie erzeugen mit ihrer Dramaturgie einen Sog, der einen bis zum Schluss mitreißt, balancieren das Vertraute mit dem Überraschenden, und im besten Falle verstehen sie es, zu überwältigen."