Ben Becker,wie kam es dazu, dass sich Albert Oehlen darstellerisch von Ihnen vertreten ließ?
Ich hab den Albert vor über zehn Jahren in Österreich näher kennengelernt. Während meiner Salzburger Zeit, da hat er mich wohl mal beobachtet. Unsere erste Zusammenarbeit war in einem Ausstellungshaus in London. Ich glaube: Barbarian Gallery.
Oder Barbican?
Barbican, genau. Da habe ich für ihn gemalt, in Realtime. Sechs Stunden, öffentlich mit einer Simultanübersetzerin. Der Beginn einer wunderbaren Zusammenarbeit. Dann habe ich auch als Albert Oehlen angefangen, Podiumsdiskussionen zu geben, zum Beispiel im Sprengel Museum in Hannover. Da ist ja auch ein Stück von drin im Film. Dann habe ich in Venedig öffentlich im Palazzo Grande für ihn gemalt, das war ganz toll. Auf der Straße hat man mich sogar als Albert Oehlen um Autogramme gebeten! Das Erfolgsding ist das: Es ist ja nur komisch, weil ich das so ernst nehme. Weil da eine ernsthafte Auseinandersetzung stattfindet mit der Arbeit als solcher. Ich kann so viel Blödsinn erzählen, wie ich will, warum ich Träume male oder dass ich aus der Forstwirtschaft komme und mein Vater auf Wildschweine geschossen hätte. Und wie furchtbar das war, wenn er Bäume fällte. Und dass ich deshalb traumatisiert bin bis heute und mich mein künstlerisches Schaffen auch immer wieder in die Natur zurückdrängt. Ich fing dann an zu lachen und habe es als Weinen getarnt. Weil das mit so einer großen Ernsthaftigkeit daherkam. Wenn wir das verarschen würden, hätte das nicht diese Tiefe und diese Faszination.
Sie pointieren damit ja auch einen Widerspruch in Künstlerdokumentarfilmen. Einerseits sollen Künstler ihre Werke sprechen lassen, andererseits aber auch bedeutende Dinge dazu sagen. Von wem kam denn beim Dreh der Impuls, von Ihnen, von Albert Oehlen oder Regisseur Oliver Hirschbiegel?
Das ist ganz unterschiedlich. Wir haben ja noch unser zweites Werk in der Mache, "Van Gogh", ein ganz buntes Meisterwerk. Ich könnte das nicht ohne Albert, der überrascht mich dann auch immer und lässt mich mit seiner Idee von der Leine. Bei "Der Maler" hatten wir nur einmal miteinander Ärger, da hab ich einen Pinselstrich gemacht, damit war der nicht einverstanden. Da war er ernsthaft sauer.
Wer hat denn überhaupt das Sagen, was da auf der Leinwand entsteht?
Das ist dann schon Albert. Ich lass ihm den Vortritt, aber dann komm ich. Das ergänzt sich einfach unheimlich gut. Als Malen nach Zahlen oder mit einem Drehbuch, wo alles genau festgelegt wäre, würde das nicht funktionieren. Sonst würde die Anarchie ja nicht stattfinden.
Und was macht Oliver Hirschbiegel?
Das weiß ich auch nicht (lacht). Albert weiß nicht so genau, wo man eine Kamera hinstellt oder wie man sich einen Schnitt vorstellt. Oliver versucht, das Ganze in geregelte Bahnen zu lenken. Das Dreiergespann funktioniert ganz gut, aber es bleibt auch immer wieder mal einer verdutzt auf der Strecke. Das hat schon was Anarchisches, alle wollen, sind aber auch diszipliniert bis zu einer gewissen Grenze. Deshalb schätze ich auch so, daran teilhaben zu dürfen. Das ist für mich etwas anderes, als auf ein Set zu kommen, und dann sagt jemand: Jetzt da lang!
Malen Sie denn auch für sich oder nur, wenn die Kamera läuft?
Ich habe immer schon so ein bisschen gemalt. Jetzt habe ich ja auch bei Albert gelernt, ohne dass ich mir etwas von ihm abgucke. Er hat mir die Werkstatt eingerichtet, welchen Tapeziertisch und welche Unterlage ich zu benutzen habe. Und wie ich Depp meinen Pinsel denn auswaschen würde.
Ein Bild, das vor der Kamera gemalt wird, kann auch misslingen. Bei allem Respekt: Bei Ihrem Film wird das Gemälde ja auch nicht immer nur besser …
Das kann wohl sein. Das Malen hat sich ja auch gezogen über mehrere Tage. Aber am Ende erzählt das Bild ja doch noch eine Geschichte. Wenn man den Film gesehen hat, das sag ich jetzt mal, gewinnt man das Bild dann doch lieb. Der Albert hat es ja auch nicht in den Müll geschmissen, sondern mit wertvollsten Samthandschuhen angefasst.
Wird es ein Oehlen-Bild, oder bleibt es eins von Ihnen?
Das weiß ich auch nicht, ich weiß nur: Das Bild hütet er wie seinen Augapfel.
Es gab ja von Martin Kippenberger diese Aktion "Lieber Maler, male mir". Gibt es da einen Bezug?
Bei Kippenberger treffen wir uns so ein bisschen. Er war sehr eng mit ihm befreundet. Und ich bin als Teenager schon in der West-Berliner Szene rumgelaufen; Kippenberger hat mich da immer als "Kanaillenvogel" betitelt und mich in Kunstperformances eingebaut. Als junger Punkrocker mit 14, 15. Ich fand den immer ganz toll und hab mit leuchtenden Augen geguckt, wenn der irgendwo reinkam. Er hat mich auch in die Punkrockkonzerte im SO36 reingeholt, ich war ja noch viel zu jung. Der hat gesagt: Du Kanaillenvogel, du kommst rein. Da schließt sich natürlich ein Kreis: Manchmal denke ich, dass ich da für Albert auch ein bisschen etwas von seinem Freund Kippenberger mit in die Arbeit bringe. Was meine Verrücktheit angeht.
Sie haben ja auch Filme gemacht wie "Santos – Heldentaten, die keiner braucht" mit Peppi Streich, wo Sie Performancekunst machen …
Ja, das macht mir unglaubliche Freude, und ich vermiss das auch. Auch mein eigenes Theaterzeug, mit dem ich rumreise, ist ja nicht statisch. Ich habe mich deshalb auch immer mehr vom Fernsehen zurückgezogen. Ich bin dafür nicht angetreten, dass Leute auf die Uhr gucken und sagen: Ich habe da irgendwas fertig zu machen.
Aber Sie bringen dieses physische Spiel ja in beide Bereiche ein, auch wenn Sie bei Rosa von Praunheim in "Rex Gildo" den Lebensgefährten des Sängers spielen. Sie bringen da etwas Echtes hinein.
Das macht mir auch unheimlich Spaß. Da geht es nicht darum, den Leuten die Zeit zu vertreiben oder Musik zu machen, die beim Bügeln nicht stört. Das hat ein Anliegen, da will jemand was. Und dann bringt man sich selbst ja auch ganz anders ein. Das sind die Highlights. Ich sehe mich nicht in so was wie "Caveman". Wenn ich früher Filme gemacht habe mit Vilsmaier, da war noch eine gehörige Portion Enthusiasmus und Lust dabei. Deshalb finde ich es toll, wenn sich Nischen auftun.
Absolut, aber vielleicht spielen Sie trotzdem mal einen Marvel-Schurken.
Ich weiß nur, dass ich mit dem Fernseh-Geplänkel mehr oder weniger abgeschlossen habe. Da müssten sie mir schon einen guten "Tatort"-Kommissar geben. Bei Marvel bin ich sofort dabei. Ich würde auch gern mal den Bösewicht bei James Bond spielen.
Das wird passieren. Ich kann mir vorstellen, dass Sie über die Kunst zum Beispiel in einem Museum in Los Angeles eine ganz andere Art von Aufmerksamkeit gewinnen, die dann auch viel schneller bei Marvel ist.
Das fänd ich auch einen ganz spannenden Weg. Wie gesagt, wir haben noch einen zweiten Film in petto, und ich freue mich schon wieder, nur weil ich jetzt daran denke, was wir da getrieben haben.
Wie muss ich mir den Van-Gogh-Film vorstellen?
Der ist bunter und mehr naturbezogen. Wir haben auf dem Land gedreht, in der Uckermark, auf Bauernhöfen. Van Gogh geht baden und malt in der Landschaft. Birgit Minichmayr spielt meine Muse. Von der krieg ich immer auf den Kopf, mit Nudelholz und so.
Aber das Ohr bleibt dran?
Ich schneid es mir nicht ab, aber es passiert schon was damit. Ich glaube, es wird mit der Post verschickt.
Ist der Film schon abgedreht?
Ja, wir haben gerade noch eine Szene nachgedreht, bei Albert zu Hause. Mit Greenscreen. Dafür hat er sich eine grüne Pappe aus dem Schreibwarenladen geholt. Einen Kameramann fand er so schnell nicht, da hat er selbst gedreht. "Hast du Zeit? Ich langweil mich." Da bin ich schnell vorbeigekommen. So geht das dann manchmal. Ich glaube, das wird die logische Steigerung vom "Maler".
Danach kommt höchstens noch Picasso.
Jim Morrison hätten wir noch im Angebot.
Dieser Text erschien zuerst in Monopol 03/2023