So haben die Museen das dann auch wieder nicht gemeint. Seit Jahren wiederholen die Kunsthäuser gebetsmühlenartig, dass sie jüngeres Publikum in ihre heiligen Hallen holen wollen. Dafür veranstalten sie "Outreach"-Programme, richten Instagram-taugliche Fotokulissen ein und geben den Klassenclown auf TikTok.
Wenn sich die Traumzielgruppe jedoch in Form von überwiegend jungen Klimaaktivistinnen und -aktivisten an berühmte Gemälde klebt, hält sich die Begeisterung der Museen in Grenzen. Die Generaldirektorin der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden, Marion Ackermann, sagte im Deutschlandfunk Kultur, die inhaltlichen Anliegen der Initiative "Letzte Generation" lägen auch den Kulturinstitutionen am Herz. Die Art des Protests sei jedoch problematisch. Nach ähnlichen Aktionen in London, Florenz und Mailand hatten sich in dieser Woche zwei Aktivisten an den Rahmen von Raffaels "Sixtinischer Madonna" (1512/13) in der Gemäldegalerie Alte Meister in Dresden geklebt. Am gestrigen Mittwoch traf es dann das Werk "Gewitterlandschaft mit Pyramus und Thisbe" (1651) im Frankfurter Staedel. Am heutigen Donnerstag war als neuester Fall "Ruhe auf der Flucht nach Ägypten" (1504) von Lucas Cranach dem Älteren in der Berliner Gemäldegalerie dran.
Auch der Geschäftsführer des Deutschen Kulturrates, Olaf Zimmermann, verurteilte die Aktionen. "So sehr ich die Verzweiflung der Klimaaktivisten nachvollziehen kann", schreibt er in einer Stellungnahme, "so deutlich sage ich, die Aktionen sich an Rahmen berühmter Kunstwerke zu kleben, sind eindeutig der falsche Weg. Die Gefahr der Beschädigung der Kunstwerke ist sehr groß. Die in Gefahr gebrachten Werke gehören zum Weltkulturerbe und gehören ebenso geschützt wie unser Klima."
Mehr Wucht als Bildungsprogramme
Geht man davon aus, dass die Klimakrise das Weltkulturerbe deutlich akuter bedroht als ein paar sekundenklebrige Hände, ist der alarmistische Ton ein wenig überraschend. Bisher ist an keinem der betroffenen Kunstwerke nennenswerter Schaden entstanden, die Klebstoffreste befanden sich ausschließlich auf Sicherheitsglas, Sockeln und (nicht-historischen) Rahmen. Den Aktivistinnen und Aktivisten scheint es nicht um Vandalismus zu gehen, sondern um das Erzeugen von einprägsamen, Social-Media-tauglichen Bildern. Im Grunde tun sie genau das, was Museen so oft als ihre Ziele bezeichnen: sich gesellschaftlich einmischen, für Nachhaltigkeit einstehen, ein Publikum außerhalb der klassischen Kunstblase erreichen. Und sie tun es mit mehr Wucht als die allermeisten Veranstaltungs- und Bildungsprogramme es tun.
Aufmerksamkeit für die Kunst erregen sie außerdem - oder haben Sie jemals so oft ein barockes Poussin-Gewitter in den Medien gesehen? Die Aktionen der "Letzten Generation" scheinen nicht aus Zerstörungslust zu kommen, sondern aus einer Wertschätzung für die jahrhundertealten Werke und einem Wissen um deren gesellschaftlicher Bedeutung. Außerdem dürfte den in Fragen der Aufmerksamkeitsökonomie sehr bewanderten Aktivistinnen bewusst sein, dass sich solche Aktionen nicht beliebig oft wiederholen lassen, bevor das öffentliche Interesse einschläft. Klebe-Performances in Museen dürften in dieser Form eher kein längerfristiges Massenphänomen werden.
Anstatt über schärfere Sicherheitsvorkehrungen und flughafenähnliche Kontrollen zu diskutieren, sollten Museen den Protestierenden entgegenkommen und sich ihren Anliegen öffnen. Wenn junge Leute die Kunsthäuser als Orte erleben, in denen für sie relevante Themen ernstgenommen werden, besteht die Chance, das sie auch unfestgeklebt dort Zeit verbringen. Im Grunde will die "Letzte Generation" mit ihrem rabiaten Eintreten für Klimaschutz dasselbe wie die Museen: Weltkulturerbe bewahren.