In dem fraglichen Facebook-Post von vor zwei Wochen kommentierte der Künstler ein von ihm geteiltes Video der britischen Tageszeitung "The Guardian" über das geplante Sondervermögen für die Bundeswehr in Höhe von 100 Milliarden Euro. Hamja Ahsan schrieb dazu: "Fuck Nato fuck neo-imperialist Germany fuck the EU I am glad not to be linked to this neoliberal fascist pig Olaf I don’t want him in my Documenta exhibition" (Fick die Nato, fick das neoimperialistische Deutschland, fick die EU, ich bin froh, nicht mit dem neoliberalen, faschistischen Schwein Olaf verbunden zu sein, ich will ihn nicht in meiner Documenta-Ausstellung). Er bezog sich damit auf Olaf Scholz‘ Entscheidung, die diesjährige Documenta nicht zu besuchen – eine Reaktion auf das Abhängen des Taring-Padi-Banners mit antisemitischer Bildsprache und die bereits im Vorfeld der Ausstellung erhobenen Antisemitismusvorwürfe gegen das Kuratorenkollektiv Ruangrupa sowie teilnehmende Künstlerinnen und Künstler.
Nachdem mehrere Medien über den Post berichtet hatten, reagierte die Documenta-Leitung nun mit einem Statement. Darin heißt es, die künstlerische Leitung und die Geschäftsführung hielten Hamja Ahsans Äußerungen über den Bundeskanzler für "nicht hinnehmbar". Aufgrund der Trennung von ausgestelltem Kunstwerk und persönlichem Handeln hätten Ruangrupa entschieden, Ahsans Werke in der Ausstellung zu belassen. Die Geschäftsführung habe jedoch beschlossen, "dass der Künstler keine weitere Gelegenheit zu einem öffentlichen Auftritt im Rahmen der Documenta Fifteen erhält."
Ob diese Maßnahme jedoch mehr als eine symbolische Geste ist, ist unklar. Noch ausstehende Auftritte von Ahsan in Kassel oder online waren bisher nicht angekündigt. Ob sie intern in Planung waren, kommentierte die Documenta nicht. Werkbegleitende Videos mit dem Künstler sind auf dem Youtube-Kanal der Documenta Fifteen weiterhin verfügbar.
Auch Hamja Ahsans Arbeiten, die über ganz Kassel verteilt sind, wurden bereits kritisiert, da sie sich teilweise auf Terrororganisationen bezögen. Doch zum Kontext der Werke gehört auch, dass sie in satirischer Weise die europäische Debatte über islamistischen Extremismus thematisieren.
Bei den Werken handelt es sich um Neonschilder, die an acht Standorten der Ausstellung in Kassel angebracht sind. Sie sind jenen von Halal-Imbissen nachempfunden, die frittiertes Hähnchen verkaufen. Diese findet man an vielen Orten im Londoner Stadtteil Tooting, wo der Künstler aufgewachsen ist, sowie im Rest der britischen Hauptstadt. Die LED-Schilder tragen Aufdrucke wie "Kabul Fried Chicken – Graveyard of Empires", "Kaliphate Fried Chicken – Feeding the Ummah since 1924" und das besonders kritisierte "PFLFC – Popular Front for the Liberation of Fried Chicken", eine Anlehnung an die Palästinensische Befreiungsorganisation "PFLP" ("Popular Front for the Liberation of Palestine"). Diese Slogans sind laut des Künstlers als ironische Kommentare auf die Islamophobie in Europa intendiert.
Weitere Motive aus seiner Serie tragen Titel wie "Aspergistan Midnight Wing" – ein Hinweis auf die Inhaftierung des unter dem Asperger-Syndrom leidenden Bruders des Künstlers in einem US-Hochsicherheitsgefängnis im Zuge des "War on Terror" – und "Fanon Fried Chicken", in Anlehnung an den französischen post-kolonialistischen Autor Frantz Fanon.
Nicht der erste kritisierte Post
Auch wenn Ahsans Social-Media-Posts erst durch die Schmähungen des Kanzlers Scholz deutschlandweit Aufsehen erregten, gab es bereits vorher Kritik an Statements des Künstlers. So schrieb er am 6. August auf Facebook, man müsste Deutschland "erneut entnazifizieren". In den sozialen Medien äußert er sich außerdem auf polemische Weise kritisch gegenüber Israel und ergreift klar Partei für die Palästinenser. So schrieb er am 27. August: "I will never give up my love and Solidarity with the Oppressed Palestinian people" (Ich werde niemals meine Liebe und Solidarität mit den unterdrückten palästinensischen Menschen aufgeben).
Auf Youtube hat Hamja Ahsan jedoch auch ein öffentlich zugängliches Video hochgeladen, in dem er sein Projekt erklärt und darlegt, warum er sich im Bezug auf sein Documenta-Projekt missverstanden fühlt.