Dass aus ihm der farbtrunkene Maler wurde, dessen Werke auf Auktionen Rekordpreise erzielen, verdankt David Hockney nicht zuletzt seiner Heimatstadt Bradford. Am 9. Juli 1937 wurde er in der Industriestadt im englischen West Yorkshire geboren; Hockney beschrieb sie als "grau und schwarz", fand aber auch "eine Magie in ihr, wenn ich genauer hinschaue". Das Hinschauen hatte das fünfte Kind von Kenneth und Laura Hockney vom Vater geerbt, der selbst Hobbymaler war und seinen Sohn förderte, indem er ihm den privaten Malunterricht finanzierte.
Mit Anfang 20 begann Hockney sein Kunststudium am Londoner Royal College of Art und stellte dort 1962 neben Peter Blake, Allen Jones und R. B. Kitaj in der Akademie-Schau "Young Contemporaries" aus, die mehr oder weniger einmal im Jahr stattfand, aber in jenem Jahr als Frühblüher der britischen Pop-Art doch etwas Besonderes war. Trotzdem, Hockney war immer zu vielseitig, um sich gänzlich in die Pop-Schublade pressen zu lassen.
Aufmüpfig war er sowieso. Statt eines geforderten weiblichen Akts malte er zur Abschlussprüfung einen Bodybuilder aus einem "Physique"-Magazin ab – klares Bekenntnis zu seiner Homosexualität (deren Ausübung bis 1967 in England strafbar war) – und schrieb rotzfrech die Zeile "life painting for a diploma" bis ans Gemächt des Modells heran, als wollten die Buchstaben unter dessen Tanga-Slip kriechen. Sein Diplom sollte er zunächst nicht kriegen, weil er noch andere – theoretische – Prüfungen verweigerte: Hockney wollte allein für seine künstlerischen Leistungen ausgezeichnet werden. Schließlich knickten die Professoren vor einem ihrer talentiertesten Schüler ein – und änderten auch gleich die College-Vorschriften. Revolution!
Kalifornien wird sein Lebensmittelpunkt
Nach dem Abschluss reist Hockney viel und probiert sich als Kunstprofessor aus, nach einer ausverkauften Soloausstellung in der New Yorker Kasmin’s Gallery 1963 entscheidet er sich jedoch für eine Karriere als Vollzeitkünstler. Trotzdem absolviert er noch seine Lehraufträge, zum Beispiel 1969 an der Hochschule für bildende Künste in Hamburg. Ein Jahr zuvor nahm er an der Documenta teil, auch 1977 war er mit Werken in der Weltkunstschau in Kassel vertreten.
1964 lässt er sich in Kalifornien nieder, sein Lebensmittelpunkt für die kommenden drei Jahrzehnte, dort entstehen einige seiner berühmtesten Gemälde. Hockney, der bis heute der reinen Abstraktion kritisch gegenübersteht, malt im Los Angeles der 1960er und 1970er Schwimmer und Taucher in blauschimmernden Pools. Manchmal auch nur ein Becken, ein Sprungbrett und einen Spritzer wie im legendären "A Bigger Splash" von 1976. "Mir ist klar", kommentierte Hockney später, "dass ein Platscher im wirklichen Leben niemals so gesehen werden kann, es passiert zu schnell. Und das fand ich amüsant, als habe ich es sehr, sehr langsam gemalt."
Exquisit an den Pool-Bildern sind auch die leuchtenden bis ätzenden Farben: Hockney benutzt Acryltuben, die noch nicht lange auf dem Markt sind. Das "Portrait of an Artist (Pool with Two Figures)" von 1972 zeigt seinen Lebensgefährten Peter Schlesinger (am Endpunkt der fünfjährigen Beziehung), der vom Beckenrand einen unter Wasser schwimmenden Mann betrachtet. Bei einer Christie's-Auktion ging das Bild im November 2018 für sage und schreibe 90.312.500 US-Dollar an einen anonymen Bieter. Damit schnappte Hockney Jeff Koons den Titel des teuersten lebenden Künstlers weg, bevor Koons mit dem für 91,1 Millionen Dollar verkauften "Rabbit" dann wieder die Nase vorn hatte.
Hockney malt jetzt wieder Menschen
Doch was die breite Palette an Methoden und Materialien angeht, kann ihm kaum jemand das Wasser reichen: Hockney hat Schwimmbecken nicht nur gemalt, sondern – wie den Tropicana-Pool des Hollywood Roosevelt Hotels – auch mit Unterwasser-Design bemalt, hat diverse Opernproduktionen ausgestattet, bedeutende fotografische Werke geschaffen und in den vergangenen Jahren den Pinsel mit dem iPad ausgetauscht. Mit dieser Technik, die von Programmierern für Hockney optimiert wurde, hat der Künstler die Landschaft und den Jahreszeitenwechsel um sein Anwesen in der französischen Normandie erkundet und Bilder für farbkräftige Großdrucke geschaffen.
Seit 2018 leben Hockney und sein langjähriger Partner Jean-Pierre Goncalves de Lima in dem im 17. Jahrhundert erbauten Landhaus, das der Altmeister während der zurückliegenden zwei Pandemiejahre kaum verließ: "Ich fühle mich hier nicht isoliert", erklärte Hockney vor kurzem gegenüber dem "New Yorker", "ich habe dieses Studio, ich habe Verbindungen zu allen Leuten in der ganzen Welt".
Inzwischen greift er wieder zum Pinsel und malt – Menschen. Neben digitalen Werken und Fotografien bezeugen seine neuen gemalten Porträts in der aktuellen Ausstellung im Fitzwilliam Museum in Cambridge ("Hockney’s Eye: The Art and Technology of Depiction", bis 29. August) die ungebrochene Arbeitsenergie und Neugier des passionierten Kettenrauchers und Künstlers, dem wir – nicht ganz uneigennützig – noch viele viele Malstunden und vollendete Werke wünschen.
Hockney kann offenbar nicht aufhören, sich an der Schönheit der Welt zu berauschen. Und auch wenn diese Schönheit in letzter Zeit einige Blessuren erfahren hat: Dieser Künstler zeigt uns, warum es sich lohnt, in ihr zu leben. Happy Birthday, Mr. Hockney!