Die Welten von Mode und Kunst berühren sich seit jeher. Beim Düsseldorfer Festival "Strike a Pose" hat man am vergangenen Wochenende versucht, sich mal wieder gegenseitig zu befruchten. Die Art, wie sich Menschen kleiden, sei eine Form künstlerischen Ausdrucks, meinte schon Andy Warhol. Umgekehrt benannte Christian Dior, der als Galerist angefangen hat, die Entwürfe seiner ersten Kollektion nach Henri Matisse und Georges Braques.
Das Verhältnis zwischen Kunst und Mode hätte in den letzten Jahren nicht noch inniger sein können: Jeff Koons arbeitete 2017 mit Louis Vuitton zusammen. Alex Katz entwarf 2016 für die schwedische Kette H&M. Raf Simons zeigte auf dem Calvin Klein-Laufsteg gar Mode mit Drucken von Warhol. Bei diesen großen Namen kommt man nicht umhin, hinter der kooperativen Geste stets auch das Schielen nach Imagepflege und Profitsteigerung zu vermuten.
Aber es geht auch anders. Etwa wenn eine Fotografin ganz ohne Hintergedanken danach fragt, was passiert, wenn Menschen hinter dem Kleidungsstück verschwinden? Wird hier wirklich eine Frau porträtiert, wenn man von ihr nur die Rückenansicht zu Gesicht bekommt? Während die jeweilige Frisur oder Kopfbedeckung nur wenige Informationen preisgibt, rückt Corina Gertz in ihrer Werkreihe "The Averted Portrait" vor schwarzem Hintergrund aufwendig gestaltete und farblich überbordende Kleider aus unterschiedlichen Kulturen in den Vordergrund. Sogleich beginnt man zu mutmaßen, welche Persönlichkeit sich wohl hinter diesen Identität stiftenden Textilien verbirgt, die Status und Zugehörigkeit zu einer Gruppe transportieren, dem Individuum aber kaum Raum zur Entfaltung lassen.
Mehr Vielfalt in der Branche
In der Düsseldorfer Galerie Clara Maria Sels treten sie über das Bindungsglied Farbe in einen Dialog mit den expressiven Kleidern von Clara Huber aus der Arbeit "Frauen schön und eigensinnig" von 2017. Huber studierte Modedesign an der Königlichen Akademie der Schönen Künste in Antwerpen und ist seit 2019 Designerin bei Chanel in Paris. Die Könnerschaft erkennt man an den scharfen Schnitten, die auf wundersame Weise mit zarten Materialien harmonieren – nur eines von spannenden Kooperationsprojekten, dem sich das rheinische Mode-Kunst-Festival Strike a Pose zum zweiten Mal in Düsseldorf gewidmet hat.
Die Düsseldorfer Galerien zeigten die Projekte in den eigenen Räumen, flankiert von einem Symposium, das sich um die Frage drehte, wie Diversität und Inklusion eine größere Rolle in den beiden Branchen spielen könnten. Die Fusionen auf der Piazza des K21, darunter das Düsseldorfer Perfomance-Label G-LAB und Künstler Johannes Wohnseifer oder das Düsseldorfer Label 22/4_Hommes_Femmes und Juwelier Georg Hornemann, konnten im Überangebot aus Kleiderstangen, der Farbe Schwarz und nicht ganz frischen Ideen die Vorteile ihres Zusammentuns nur bedingt entfalten: so schwelgte die Vogueing-Performance der Akademie Mode & Design Düsseldorf eher in den Neunzigern. Es sei denn, man erwischte am "Fashion Day" am Samstag die Performance der japanischen Künstlerin Takako Saito, mitinitiiert von der Galerie Boa-Basedonart, bei der selbst genähte Klang- und Buch-Kleider und "Spiele-Overalls" die Statik des Rests zum Abheben brachten.
Gewonnen haben die Strike A Pose Awards gleich zwei Verschmelzungen: die textilen Membranen von Anna Virnich, verstanden als tableauartige Netzwerke des Austauschs, profitierten vom Ansatz der Modedesignerin Annelie Schubert, die abstrakte Stoffmuster ebenfalls wie Gemälde entwirft. Dazu gesellte sich die Designerin Angelika Kammann, die "Ellas", eine Foto-Serie der in Bogotá und Paris lebenden Fotografin Karen Paulina Biswell auf durchscheinende Seidenstoffe von skulpturalen Entwürfen gedruckt hat.
Begehren und Destruktion
Ausgiebiges Flanieren im Stadtgebiet lohnte vor allem am Gallery Day am Freitag. Die Galerien wussten meistens das Stichwort Symbiose prägnanter umzusetzen. Zu Gast bei Cosar war etwa die Editions-Galerie LRRH, die gemeinsam mit 39 Künstlerinnen und Künstlern das Hilfsprojekt Contribution #2 Gloves zugunsten der Club-Szene ins Leben gerufen hat. Sie traf auf Marge Monko, die in Gent, Wien und ihrer Geburtsstadt Tallinn Kunst studiert hat. Ihre Fotoserie "Show Windows" gab sich verführerisch und zugleich ambivalent. Entstanden sind die Stillleben nacheifernden Schaufensterbilder in Antwerpen und New York. Monko kombiniert sie mit gefundenem Archivmaterial, auf dem sich die kapitalistischem Konsum-Lockräume auch als Zielscheiben politisch motivierter Anfeindungen entpuppen. Sei es bei Demos gegen G8-Gipfel oder Plünderungen, in denen sich soziale Schieflagen entladen.
Begehren muss bekanntlich nicht immer in Destruktion umschlagen: Wer schon immer ein T-Shirt aus der Hand von Rosemarie Trockel in die Finger kriegen wollte, war im Düsseldorfer LRRH_ Aerial, dem Raum des vielseitigen Kunstprojekts LRRH_, richtig. Inspiriert war die zur Installation gepushte Serie von den futuristischen Entwürfen des Designers Paco Rabanne und seinem Metal Mesh, einem Gewebe mit polierten Metallplättchen. Als Zugabe waren eine Edition von Vinylbag-Taschen sowie Poster und Drucke im Angebot.
Weitere Lektionen im weiten Feld der Materialkunde bekam man bei der Kölner Galerie Martinetz. Die Kooperation der Berliner Latex-Designerin Julia Kühn mit der Kölner Künstlerin Selma Gültoprak zielte auf die Aufwertung der von Dominas geleisteten "Therapiearbeit" im Sex-Business. Das Ergebnis war "Love Monument", eine Installation aus mit eingefärbtem Öl gefüllten Glasflaschen und aus dem Fetischbereich importierten Materialien wie Nieten, Latex und Lederriemen – eine ideale Reibungsfläche für alle, die unter der Paarbildung von Kunst und Mode nur den Genuss von harmlosen Oberflächen verstehen.