"Wir treten diesen Anschuldigungen entschieden entgegen und kritisieren den Versuch, Künstler*innen zu delegitimieren und sie auf Basis ihrer Herkunft und ihren vermuteten politischen Einstellungen präventiv zu zensieren", schreibt das Kollektiv gemeinsam mit Kuratorinnen und Kuratoren in der "Berliner Zeitung" und dem Branchendienst "e-flux".
Ein Bündnis hatte Ruangrupa Anfang des Jahres vorgeworfen, bei der 15. Ausgabe der Ausstellung auch Organisationen einzubinden, die den kulturellen Boykott Israels unterstützten oder antisemitisch seien. Ab dem 8. Mai sollte in drei Veranstaltungen unter dem Titel "We need to talk! Art - Freedom - Solidarity" über "das Grundrecht der Kunstfreiheit angesichts von steigendem Rassismus und Antisemitismus und zunehmender Islamophobie" debattiert werden.
Ende April hatte der Präsident des Zentralrates der Juden in Deutschland, Josef Schuster, in einem Brandbrief an Kulturstaatsministerin Claudia Roth den Umgang der Documenta mit dem Thema Antisemitismus kritisiert. Er beklagte darin unter anderem die Besetzung der Foren und monierte, der Dachverband der jüdischen Gemeinschaft sei nicht eingebunden. "Eine solche Repräsentation ist auch nicht die Aufgabe einer Kunstinstitution", schreibt Ruangrupa jetzt, nachdem die Documenta die Veranstaltungsreihe Anfang Mai abgesagt hatte. "Eine verbindliche organisatorische Einbindung des Zentralrats (oder einer anderen Körperschaft) hat es zu keinem Zeitpunkt gegeben. Wohl aber hat das organisierende Team personelle und inhaltliche Vorschläge in die Gesamtkonzeption einfließen lassen."
Ruangrupa fordert, dass Widersprüche nicht zugunsten einer "deutschen Bekenntniskultur" weggewischt werden: "Da sich die realen Probleme der völkerrechtswidrigen israelischen Besatzung diskursiv in Gesprächsrunden in Deutschland nicht auflösen lassen, können wir auch die Widersprüche in der Bewertung dieser Besatzung und des Widerstands gegen sie nicht auflösen. Diese Widersprüche sind auszuhalten; andernfalls würde eine Diskussion von vornherein eingeschränkt, so dass sie diesen Namen kaum mehr verdiente. Diese realen Widersprüche werden nur noch verstärkt, wenn diese Wirklichkeit mit einer Diskurswelt der 'klaren Bekenntnisse' verwechselt wird."
Die alle fünf Jahre stattfindende Documenta gilt neben der Biennale in Venedig als wichtigste Präsentation für Gegenwartskunst. Die Documenta Fifteen findet in diesem Jahr vom 18. Juni bis zum 25. September statt.