Leïla Slimani hat gerade eine Schreibkrise, als ihre Lektorin sie beauftragt, über eine Nacht im Museum zu schreiben. Zögernd zieht sie, der Kunst sowie der Institution Museum gegenüber skeptisch, ins Privatmuseum Punta della Dogana in Venedig, in eine Gruppenausstellung mit Werken von Etel Adnan, Roni Horn und Hicham Berrada. Daraus entstand ein 160 Seiten schmales Büchlein: der mit vielen Zitaten durchwebte Essay "Der Duft der Blumen bei Nacht".
"Warum habe ich eingewilligt, diesen Text zu schreiben, während ich doch zutiefst davon überzeugt bin, dass das Schreiben einer Notwendigkeit folgen muss, einer persönlichen Obsession, einem inneren Drang", fragt sich die in Marokko geborene französische Autorin, die mit den Büchern "Dann schlaf auch du" und "All das zu verlieren" bekannt wurde.
Anfangs - noch in Paris - geht es um die Sehnsucht aller Schriftsteller nach Abgeschiedenheit. Dann trifft Slimani in Venedig ein und schildert ihre Eindrücke von der Stadt. Die nächtliche Zwiesprache mit den Kunstwerken dann löst biografische Erinnerungen aus: Eine Installation des in Casablanca geborenen Künstlers Hicham Berrada, in der Nachtjasmin in verdunkelten Terrarien blüht, führt in ihre marokkanische Heimat. Es ist "das Aroma der Freiheit", der Duft, der die junge Leila begleitete, als sie nachts heimlich um die Häuser von Rabat zog. Man erfährt viel über ihre Vergangenheit in diesem Buch: Wie der Vater in einen Finanz- und Politikskandal geriet. Wie sie vom "Heimtier" zur Feministin wurde. Wie sich die Emigration nach Paris auf ihre Identität auswirkte.
Die Begegnung mit Berradas Installation öffnet den Weg zur Selbstbefragung - und lässt Leïla Slimani schließlich zurückkehren an den Schreibtisch.