Ukraine-Krieg

Wie Oligarchen in der Kunstwelt vernetzt sind

Wegen des Überfalls auf die Ukraine nimmt der Westen russische Oligarchen ins Visier. Viele von ihnen haben enge Verbindungen in Museen und den Kunstmarkt. Einige Institutionen ziehen jetzt die Reißleine

Joe Bidens Drohung an die russischen Oligarchen war unmissverständlich: "Wir schließen uns mit europäischen Verbündeten zusammen, um ihre Jachten, ihre Luxuswohnungen und ihre Privatjets zu finden und zu beschlagnahmen. Wir werden Sie holen", sagte der US-Präsident bei seiner Rede zur Lage der Nation vergangene Woche.

Geschäftsleute, die in den 90er-Jahren bei der Privatisierung sowjetischen Volkseigentums reich wurden oder als Günstlinge des Putin-Systems, stehen nach dem Überfall Russlands auf die Ukraine unter Druck – auch von Seiten der Europäischen Union: Seit dem heutigen Mittwoch finden sich insgesamt 160 russische Unternehmer und Mitglieder des russischen Föderationsrates auf der EU-Sanktionsliste.

Und diese Erschütterungen spürt längst auch die Kunstwelt, denn natürlich hängt in den von Biden erwähnten Jachten und Luxuswohnungen auch Kunst: Oligarchen kaufen auf der Art Basel ein, bauen Ausstellungshäuser und sitzen in den Vorständen großer Museen.

So hat das Moskauer Privatmuseum GES-2, das erst vor einigen Wochen eröffnet wurde, nicht nur Ausstellungen geschlossen, sondern auch seinen künstlerischen Direktor verloren: Francesco Manacorda ist aufgrund des Ukrainekrieges zurückgetreten. Das 20.000 Quadratmeter umfassende Ausstellungshaus ist Hauptstandort der VAC Foundation, die Unternehmer Leonid Michelson – einer der reichsten Russen überhaupt – vor zehn Jahren gemeinsam mit der aus Neapel stammenden Kuratorin Teresa Iarocci Mavica gründete. Die in Moskau lebende Italienerin sollte eigentlich den russischen Pavillon der kommenden Venedig-Biennale organisieren – der jetzt allerdings leer bleiben wird

Oligarchen in Museumsvorständen

Während sich das GES-2 bislang nur schmallippig äußerte, hat das private Moskauer Museum Garage sich deutlich gegen den russischen Überfall positioniert – und ebenfalls alle Ausstellungen gestoppt. Die Institution mit Sitz im Gorki-Park wurde 2008 von dem damaligen Oligarchenpaar Dascha Schukowa und Roman Abramowitsch gegründet und hat sich zu einer Instanz für die Aufarbeitung der Geschichte der staatsfernen Kunstszene in der einstigen Sowjetunion entwickelt. 

Abramowitsch machte in denn vergangenen Tagen Schlagzeilen, weil er seinen FC Chelsea verkaufen möchte. Ruhiger ist es um Dascha Schukowa, die seit 2017 von Abramowitsch geschieden ist. Die 40-Jährige, die den Einmarsch Russlands in die Ukraine deutlich verurteilt, sitzt im Board des New Yorker Metropolitan Museum of Art und des Los Angeles County Museum of Art – Positionen, die nicht gefährdet zu sein scheinen. Denn ob sich die angekündigten US-Sanktionen auch auf Personen beziehen, denen ihr Vermögen durch Erbe oder Scheidung übertragen wurde, ist bislang ungewiss. 

Deutlicher stellt sich der Fall offenbar bei Wladimir Olegowitsch Potanin dar: Der Oligarch trat vergangene Woche aus dem Vorstand des Guggenheim-Museums aus, dem er zwei Jahrzehnte lang angehörte. Dem New Yorker Haus hat Potanins Stiftung zahlreiche Ausstellungen gesponsert, darunter die aktuelle Kandinsky-Schau. In London, der Oligarchen-Hauptstadt schlechthin, legte jetzt Pjotr Awen seinen Trustee-Posten an der Royal Academy of Arts nieder. Die Institution soll seine Spende zur aktuellen Francis-Bacon-Ausstellung zurücküberwiesen haben. Der Putin-Vertraute unterstützt allerdings noch einige andere Kulturinstitutionen, darunter auch die Tate Galleries.

Dort ist Wiktor Felixowitsch Wekselberg Ehrenmitglied, ein Geschäftsmann, der auf der US-Sanktionsliste steht. Während die Tate sich bislang nicht von dem Russen distanziert hat, haben in den USA jetzt das Lincoln Center, die Carnegie Hall und das Massachusetts Institute of Technology die Zusammenarbeit eingestellt.

Und der Kunstmarkt?

Im institutionellen Rahmen werden solche Verbindungen schwer zu rechtfertigen sein, solange der Ukrainekrieg andauert. Auf dem Kunstmarkt, wo es diskreter zugeht, wird hingegen wohl weiterhin Oligarchengeld fließen. Die beiden großen Auktionshäuser Christie's und Sotheby's haben indes bekräftigt, mit sanktionierten Personen keinen Handel zu treiben. Die wirtschaftlichen Berechtigung prüfe man bei den Kunden schon im Rahmen der Antigeldwäscherichtlinien sehr gründlich, sagte Christie's-Chef Dirk Boll der "Welt"

Was allerdings mit der Kunst als Teil beschlagnahmter oder eingefrorener Vermögenswerte geschieht, ist bislang unklar – wie überhaupt fraglich ist, wie hinter komplizierten Unternehmenskonstruktionen versteckter Oligarchenbesitz identifiziert werden kann. Eines dürfte allerdings feststehen: Die Anzahl der Jachten vor den Giardini zur Eröffnung der Venedig-Biennale Ende April wird deutlich geringer ausfallen als bei früheren Ausgaben.