Der russische Angriff auf die Ukraine hat direkte Auswirkungen auch auf die kulturellen Beziehungen zwischen Russland und Deutschland. Die von Bund und Ländern getragene Stiftung Preußischer Kulturbesitz, mit zahlreichen Museen, Sammlungen und Instituten auch international eine der wichtigsten Kultureinrichtungen, hat erste Konsequenzen gezogen. "So gut unsere Zusammenarbeit auch war, wir können jetzt angesichts der Geschehnisse in der Ukraine nicht einfach zur Tagesordnung übergehen", sagte Stiftungspräsident Hermann Parzinger der Deutschen Presse-Agentur in Berlin. "Wir haben im Augenblick daher unsere Projekte und Zukunftspläne erst einmal auf Eis gelegt."
Über den Petersburger Dialog oder den Deutsch-Russischen Museumsdialog gibt es intensive kulturelle Beziehungen. Bei der Beutekunst etwa, den als Folge des Zweiten Weltkriegs in Russland befindlichen Kulturgütern, arbeiten Wissenschaftler beider Seiten eng zusammen. Die Preußen-Stiftung und Russland-Kenner Parzinger gelten als zentrale Figuren in diesem Prozess.
"Deutsche und Russen verbindet die tragische Geschichte des 20. Jahrhunderts in besonderer Weise", sagte Parzinger. "Für die deutschen Kriegszerstörungen hat Russland durch das Duma-Gesetz von 1998 die 1945 nach Russland verbrachten deutschen Kulturgüter zu russischem Eigentum erklärt. Seit den 1990er Jahren bearbeiten wir diese Bestände gemeinsam und in einer sehr vertrauensvollen Kooperation."
Das Trennende zu etwas Verbindendem gemacht
Parzinger verwies etwa auf gemeinsame Ausstellungen, viele Objekte seien inzwischen wieder Teil des internationalen Forschungskreislaufs. "Obwohl Deutschland und Russland unterschiedliche Rechtspositionen in Bezug auf Beutekunst vertreten, haben wir das Trennende zu etwas Verbindendem gemacht. Deutsche und russische Museen arbeiten heute so gut zusammen, dass sie ohne einander gar nicht mehr wollen."
Mit dem russischen Angriff sieht Parzinger auch eine Bedrohung für kulturelle Einrichtungen in der Ukraine. "Die Gefahren für Kulturgüter in der Ukraine sind sehr hoch. Wir wissen, dass von den Angreifern darauf keine Rücksicht genommen wird", sagte der Stiftungschef. "Schon bei Angriffen von Separatisten in der Ostukraine 2014 wurde etwa das Museum von Donezk mit Raketen beschossen und zu 30 Prozent zerstört." Es sei damit zu rechnen, dass durch Raketen- und Bombenangriffe sowie Kampfhandlungen Denkmäler und historische Gebäude zu Schaden kommen. "Außerdem befinden sich in nahezu allen angegriffenen ukrainischen Städten wichtige Museen mit bedeutenden Sammlungen."
Aus Russland empfängt Parzinger unterschiedliche Signale. «Putin ist nicht Russland», sagte er. "Natürlich gibt es dort die sogenannten Hurra-Patrioten, bei denen die Propaganda des Kreml verfängt." Aber viele Menschen in Russland verurteilten die Invasion in die Ukraine. "Einen Offenen Protestbrief, der im Internet kursiert, haben inzwischen schon Hunderte von russischen Wissenschaftlern und Wissenschaftlerinnen unterzeichnet, ein ungemein mutiges Verhalten. Denn jeder weiß, dass Widerspruch nicht geduldet wird."