2020 beträgt der Frauenanteil unter registrierten und befugten Architektinnen und Architekten EU-weit durchschnittlich 42 Prozent, davon in Deutschland 34 Prozent und in Österreich 19 Prozent.
Im Jahr 2030 werden 2,5 Milliarden Frauen in Städten leben und arbeiten, die meist von Männern in Auftrag gegeben, geplant und gebaut wurden. Wie viel Weiblichkeit bietet die Stadt von morgen, und was ist zu tun? Diese Fragen behandelt der Band des Architekten Wojciech Czaja und der Stadtforscherin Katja Schechtner. Interessant ist daran zunächst ein Blick auf die Geschichte, auf all die guten Ideen und Entwürfe, die es irgendwann schon gab. Die Liste an Architektinnen, Stadtplanerinnen, Projektentwicklerinnen, Entscheiderinnen und Baudirektorinnen ist gar nicht kurz. Aber gibt es tatsächlich Vorbilder, auf die man aufbauen könnte, gibt es Wohnbau- oder Stadtarchitektur, die neue Rollen ermöglicht und fördert?
Es stellt sich heraus, dass radikale Erneuerungen oft schnell im Keim erstickt wurden. Der Heimhof in Wien beispielsweise war ein küchenloses Haus für arbeitende Personen ohne Kinder, mit einem Restaurant im Erdgeschoss. Der Nationalsozialismus beendete das Experiment. Die Gleichstellungsfrage stellt sich aber schon bei der Benennung von Straßen und Plätzen, die ja Strukturen und Systeme nicht nur abbilden, sondern selbst welche sind.
In Barcelona ist seit 2004 bei der Gestaltung von städtischen Räumen und Einrichtungen gesetzlich eine Gender-Perspektive einzubeziehen. Eine Kooperation von Architektinnen, Soziologinnen und Stadtplanerinnen moderiert, entwirft Leitfäden, berät, um die Stadt integrativer zu machen, seit 2015 unterstützt von Bürgermeisterin Ada Colau. Sozialer urbaner Wandel als demokratischer Prozess ist möglicherweise das beste System, um herauszufinden, was eine gendergerechte Stadt überhaupt sein könnte. Denn die Bedürfnisse und Wünsche von Frauen in Bezug auf Stadt sind, auch das zeigt dieser Band, keinesfalls einfach zu konkretisieren. Was einerseits daran liegen kann, dass es schwer ist, die Fehler des Gewohnten zu benennen. Oder daran, dass Dinge wie Infrastruktur und Aufenthaltsqualität nicht per se genderspezifisch sind. Künftig alle Geschlechter mitzudenken ist schon mal ein großer Schritt.