Manche seiner Gemälde schockieren mit ihrer zur Schau gestellten Gewalt, andere bezaubern mit ihrer Anmut. Gemeinsam ist allen eine außergewöhnlich realistische Darstellung des menschlichen Körpers und ein unvergleichliches Spiel mit Licht und Schatten. Die Rede ist von Caravaggio, einem Begründer der römischen Barockmalerei, der die Kunst seiner Zeit revolutionierte und Generationen von Malern beeinflusste. Vor 450 Jahren wurde er geboren.
Seine Werke hängen heute in Rom und Neapel, New York und Cleveland, Paris, Madrid, Wien oder Berlin. Das Licht der Welt erblickte Michelangelo Merisi am 28. September (nach anderen Angaben am 29.) 1571 in Mailand. Nach dem Herkunftsort seiner Eltern in der Lombardei nannte man ihn Caravaggio, und unter diesem Namen wurde er weltberühmt. In Mailand lernte er das Malerhandwerk. Mit 21 zog er 1592 nach Rom, wo er Auftraggeber und Förderer fand, seinen typischen Stil entwickelte, die meisten seiner Schaffensjahre verbrachte und wo sich auch heute noch die meisten seiner Werke wiederfinden.
Um in der ewigen Stadt einen echten Caravaggio zu sehen, braucht man nicht einmal ein Museumsticket zu kaufen, es geht auch gratis in mehreren Kirchen. So zum Beispiel in Santa Maria del Popolo an der Piazza del Popolo am Nordrand der Altstadt, wo Caravaggio die Kreuzigung des Apostels Petrus und die Bekehrung des Paulus malte. In der Gemäldegalerie Palazzo Barberini ist das Werk "Judith und Holofernes" zu sehen, die Darstellung der Enthauptung des assyrischen Feldherrn durch die jüdische Witwe Judith, wo das Blut fast aus dem Bild zu spritzen scheint. Ebenfalls in Rom malte Caravaggio "Amor als Sieger", das heute in der Berliner Gemäldegalerie hängt und einen geflügelten Knaben splitternackt zeigt.
"Gemälde spiegeln Gewalt Roms wider."
"Caravaggio führt in die sakrale Kunst einen Realismus ein, der deren Kanon erschüttert", schreibt der römische Publizist Corrado Augias in seinem Buch "Die Geheimnisse Roms". Kennzeichnend für Caravaggios Stil sind auch das "Chiaroscuro", die Hell-Dunkel-Malerei, und die Verschmelzung von Profanem und Sakralem in seiner Kunst.
Die Stadt der Päpste, so Augias, war damals ein heruntergekommener Ort mit gerade mal 100 000 Einwohnern - und 13 000 Prostituierten, die sich von der großen Zahl kirchlicher Würdenträger ein Auskommen am Tiber versprachen. Von Caravaggio heißt es, dass ihm Prostituierte für biblische Frauengestalten Modell standen. Straßenkriminalität und öffentliche Hinrichtungen wiederum mögen ihn bei seinen blutigen Gewaltdarstellungen inspiriert haben, glaubt Augias: "Er malt, was er erlebt und sieht, seine Gemälde spiegeln die Gewalt Roms wider."
Viel ist von frühen Biografen über den gewaltbereiten und lüsternen Charakter des Malers geschrieben worden, das meiste davon gilt heute als übertrieben. Tatsache ist, dass Caravaggio 1606 in einen Totschlag verwickelt war, aus Rom verbannt wurde und mit dem "bando capitale" belegt, also für vogelfrei erklärt wurde. Damit begann der letzte Abschnitt im Leben des genialen Künstlers mit dem üblen Ruf.
Caravaggio wurde nur 38 Jahre alt
Caravaggio zog südwärts ins damals spanische Königreich Neapel und hatte dort ebenfalls großen Erfolg. Er malte unter anderem "Die Geißelung Christi", die im Nationalmuseum Capodimonte hoch über der Stadt am Vesuv zu bestaunen ist. Von Neapel setzte der Künstler nach Malta über und wurde dort 1608 Ritter des Malteserordens. Sein Hauptwerk auf der Mittelmeerinsel ist "Die Enthauptung Johannes des Täufers" im Oratorium der St. John’s Co-Cathedral in Valletta. Mit 316 mal 520 Zentimetern ist es das größte aller Caravaggio-Werke.
Auf Malta wird Caravaggio abermals in einen Streit verwickelt, landet im Gefängnis, bricht aus und flieht nach Sizilien. Aus dem Malteserorden wird er ausgeschlossen. Auch auf Sizilien malt er einige Werke. Nun sieht er die Chance auf eine Begnadigung in Rom kommen. Er landet in Porto Ercole an der toskanischen Küste nördlich von Rom. Dort stirbt er am 18. Juli 1610 im Alter von nur 38 Jahren. Die genaue Todesursache ist unbekannt.
Schon 100 Jahre nach seinem Tod war Caravaggio vergessen und wurde erst im 20. Jahrhundert wiederentdeckt. Sein Einfluss auf andere Künstler war aber groß, von Rembrandt und Peter Paul Rubens bis Jan Vermeer, Diego Velázquez oder Francisco de Zurbarán. Auch heute noch bewegt der italienische Künstler die Gemüter. 2014 forderten in Berlin die Autoren eines offenen Briefes im Zuge der Diskussion um Pädophilie und Kinderpornografie, den nackten Amor von der Wand zu nehmen. Die Gemäldegalerie entschied im Sinne der Kunstfreiheit, und der kleine Gott der großen Liebe blieb hängen.