Tiffany-Werbung mit Basquiat

Klunkerkunst

Eine neue Werbekampagne der Schmuckfirma Tiffany setzt auf Maßlosigkeit: Beyoncé trägt einen weltberühmten Diamanten, Jay-Z wirkt unbeeindruckt. Ach ja, ein selten gezeigter Basquiat hängt auch noch im Hintergrund

Dass sich Sängerin Beyoncé und Rapper Jay-Z mit Kunst auskennen, haben sie inzwischen wiederholt unter Beweis gestellt. Jay-Z ist seit Jahren umtriebiger Sammler und trat unter anderem mit Performance-Legende Marina Abramović auf. Beyoncé hat mit Künstler Arthur Jafa zusammengearbeitet, in ihren Videos Pipilotti-Rist zitiert und sich mit ihren neugeborenen Zwillingen als altmeisterliche Madonna inszenieren lassen. Dass sie auch selbst Kunstgeschichte schreiben können, haben die beiden mit ihrem Video "Apeshit" bewiesen, in dem sie den Pariser Louvre als ihren Königspalast inszenierten

Das royale Paar des Pop-Geschäfts versteht sich also auf die Macht von Bildern und dürfte genau wissen, was es tut, wenn es sich für die Luxus-Schmuckfirma Tiffany vor einem Basquiat-Gemälde ablichten lässt. In der auf Superlative ausgerichteten Kampagne "About Love" trägt Beyoncé als erste schwarze Frau den 128-karätigen "Tiffany Diamond" von 1877, den überhaupt erst vier High-Society-Damen spazierenführen durften: Vor der Sängerin wurde diese Ehre der Diplomatengattin Mary Crocker Alexander, der Schauspielerin Audrey Hepburn (für PR-Fotos für den Film "Frühstück bei Tiffany" von 1961) und der schauspielernden Musikerin Lady Gaga bei der Oscar-Verleihung 2019 zuteil. 

Während Beyoncé auf dem offiziellen Werbebild im Hepburn-inspirierten schwarzen Kleid vor dem Werk "Equals Pi" (1982) von Jean-Michel Basquiat posiert, sitzt Jay-Z im Anzug eher unbeteiligt daneben. Ein Basquiat an der Wand kann ihn offenbar nicht in größere Begeisterungsstürme versetzen. In den Videos zur Kampagne sitzt die Sängerin dann am Klavier und intoniert eine Version der Ballade "Moon River", die auch bei "Frühstück bei Tiffany" eine Schlüsselrolle spielt. Jay-Z filmt seine Gattin dabei mit einer Super-8-Kamera, der Basquiat macht sich auch in dieser Kulisse hervorragend als Wandbehang, spielt aber eher eine Nebenrolle. Die große Kunst der Inszenierung schlägt die große Kunst im Hintergrund.

Hätte Basquiat das gewollt?

Insofern ist es nicht überraschend, dass die maßlose Tiffany-Kampagne nicht nur Bewunderung, sondern auch Kritik erntete. Ob es nicht nicht problematisch sei, fragten viele User in den sozialen Medien, dass ein Kunstwerk von einem ehemaligen Street-Art-Künstler, das auch noch jahrelang in Privatbesitz der Öffentlichkeit entzogen war, für die Werbung eines Luxusjuweliers benutzt werde? Ein Bild als Klunker neben dem Klunker.

Diese Lesart liegt natürlich nahe und lässt sich schwer entkräften. Doch man könnte auch sagen, dass diese Nutzung eines Basquiats symptomatisch für die Karriere des Künstlers ist. Jean-Michel Basquiat (1960-1988) bewegte sich stets zwischen Armut und Luxus, zwischen Street Credibility, politischer Positionierung und Kunstmarkt-Erfolg. Seine Nachlassverwalter haben sich außerdem als wenig zimperlich erwiesen, wenn es um die Verwertung seiner Kunst geht. Es gibt Basquiat-Merchandise, Sporttrikots und seit letztem Jahr auch eine von ihm inspirierte Barbiepuppe

 

Schaut man sich den Hintergrund des Unternehmens Tiffany an, zeigt sich ebenfalls die unentwirrbare Verstrickung zwischen Kunst und Luxus. Die Traditionsfirma wurde kürzlich von der LVHM Gruppe (Moët Hennessy Louis Vuitton) gekauft, die dem französischen Milliardär und Kunstsammler Bernard Arnault gehört. Dass für einen Unternehmer seines Kalibers in der Kunstwelt fast alles möglich ist, hat er unter anderem mit der Pariser Fondation Louis Vuitton bewiesen.

Sein Sohn Alexandre ist nun als großer Erneuerer bei Tiffany aktiv, genauer gesagt als Executive Vice President of Product & Communications. Basquiats "Equals Pi" soll seine Firma der italienischen Juweliersfamilie Sabbadini abgekauft haben, die 2018 im "W-Magazine" vor dem Bild posierte. In Zukunft soll das Bild im Tiffany-Flagship-Store an der Fifth Avenue in New York hängen.

Alexandre Arnault sieht in der Hintergrundfarbe des Gemäldes eine auffällige Ähnlichkeit zum traditionellen kühlen Blauton, den die Marke in ihrer Kommunikation verwendet. Dem Magazin "Women's Wear Daily" sagte er, dass er zwar keine Beweise dafür habe, dass Basquiat das Bild mit Gedanken an Tiffany gemalt habe, aber er nehme an, dass es "eine Art von Hommage" des Künstlers an die Schmuckfirma sei. Das Gemälde fungiere in der Kampagne als eine "Modernisierung von Tiffany Blue". So schnell kann man das Ganze umdrehen, wenn man genug Geld und Deutungshoheit besitzt. Nicht der Luxus benutzt die Kunst. Die Kunst huldigt den Klunkern.