Götter, Menschen, Tragik und ein "hehrstes Wunder" – nämlich die Schwangerschaft Sieglindes mit dem späteren Drachentöter Siegfried: "Die Walküre" gilt als die in Aktion und Musik stärkste Oper des "Ring des Nibelungen", der in dieser Bayreuth-Saison eigentlich von Valentin Schwarz inszeniert werden sollte, komplett aus "Rheingold", "Walküre", "Siegfried" und der "Götterdämmerung" zusammengeschmiedet.
Eine solitäre Aufführung des zweiten "Ring"-Musikdramas ist bei den Bayreuther Festspielen unüblich (aber schon 2018 am Grünen Hügel geschehen, als es eine "Walküren"-Reprise aus dem Castorf-Ring für Plácido Domingo als Dirigenten gab, der dafür kräftig ausgebuht wurde). Doch weil Corona die Pläne durcheinandergebrachte und das 2020er-Festival virusbedingt ganz ausfiel, kommt jetzt – nur in diesem Jahr – Hermann Nitsch ins Festspiel: Am Donnerstag gab der berühmte Vertreter des Wiener Aktionismus sein Bayreuth-Debüt.
Diesmal – und für zwei weitere Aufführungen – ist alles anders: Während die in schwarzen Kutten gewandete Sängerbesetzung die Vokalparts abseits des Geschehens absolviert, gehört die Szene ganz Nitschs Orgien-Mysterien-Theater. Zehn Akteure beschütten den Bühnenraum in voller Höhe und Breite aus Farbeimern. Auf Tierblut und Gedärme, die Nitsch sonst gern für seine Inszenierungen benutzt, wollte er in Bayreuth verzichten - auch wenn eine Flüssigkeit bei einer Kreuzigungsszene dann doch verdächtig nach Blut aussieht.
Szene für Szene wird Wagners Partitur, vom tosenden Unwetter um Hundings Hütte über Wotans blechgepanzerte Machtworte bis zum streicherklangvollen Feuerzauber im Dritten Aufzug in eine komplexe Farbdramaturgie übersetzt. Da "Die Walküre" live gespielt, gesungen und performt wird, braucht es einen aufmerksamen und improvisationserfahrenen Farbregisseur: Der 82-jährige Nitsch wird auch die kommenden Aufführungen vom Regiepult aus überwachen.
Buhs und Jubel nach der Premiere
Für seine Malaktion hat der Künstler Hermann Nitsch mit seinem Team nach der Premiere am Donnerstag teils heftige Buhs einstecken müssen. Von anderen Teilen des Publikums gab es allerdings auch Jubel.
Auch musikalisch überzeugte die Aufführung das Publikum nicht restlos. Der Finne Pietari Inkinen musste Unmutsbekundungen über sich ergehen lassen für eine etwas blasse, zurückhaltende Interpretation der zweiten Oper aus Richard Wagners Mammutwerk "Der Ring des Nibelungen" - und das obwohl Buh-Rufe für einen Dirigenten in Bayreuth eher nicht an der Tagesordnung sind. Im kommenden Jahr soll Inkinen alle vier «Ring»-Opern dirigieren.
Eher höflichen Applaus gab es für die neue Bayreuther Brünnhilde Iréne Theorin und Wotan-Einspringer Tomasz Konieczny. Er hatte die Rolle nur wenige Tage vor der Premiere von Günther Groissböck übernommen, der sie sich nach Angaben der Festspielleitung derzeit wegen der langen Corona-Pause nicht zutraut. Uneingeschränkten Jubel gab es dagegen für die Bayreuther Allzweckwaffe Klaus Florian Vogt als Siegmund und vor allem eine stimmgewaltige Lise Davidsen als Sieglinde.