"Mode ist nicht Kunst", stellt Valentino-Kreativdirektor Pierpaolo Piccioli zu seiner Haute Couture Kollektion in Venedig fest. Denn die Mode habe im Gegensatz zu der Kunst "eine Funktion, einen Nutzen". Schöpfen und lernen können Malerei und Haute Couture, zeitgenössische Kunst und Bekleidungskunst jedoch viel voneinander. Die Haute Couture ist in der Mode vergleichbar mit Malerei in der Kunst. Es ist der exklusivste Bereich in der Mode, die traditionell höchste Disziplin und vereint sich damit in seiner Aura von Einzigartigkeit, Forschung und Experimentierfreude mit der Malerei, die lange als Königsdisziplin der Kunst galt.
Mit 17 Künstlerinnen und Künstlern aller Altersgruppen, ästhetischen Neigungen und Hintergründen - unter anderem mit den deutschen Malerinnen Kerstin Brätsch und Katrin Bremermann und dem italienischen Maler Guglielmo Castelli - arbeitete Pierpaolo Piccioli nun an einer Haute-Couture-Kollektion für Valentino zusammen. Von schwebenden Kopfschmuck mit Straußenfedern bis hin zu fulminanten Ballkleidern - ein experimenteller und metaphorischer Prozess fügt sich zusammen in eine Kollektion, die die Couture-Codes von Valentino, lange und geschichtete Silhouetten oder kurz und skulptural, zusammenfasst. Es sind Entwürfe für Frauen und Männer, in denen sich die Virtuosität der Verarbeitung in Leichtigkeit auflöst.
Die Haute Couture ist das Gegenteil der Fast Fashion. Es sind Einzelteile, welche gesammelt, gehütet und weiter vererbt werden. Wie Kunstwerke werden sie behandelt, und diesen Stellenwert braucht die Mode auch wieder. Denn sie ist ein Handwerk, ebenso wie die Kunst. Angefangen bei einer Idee, einer Inspiration, hin zum Zusammensetzen, fühlen, antasten, bis letztendlich ein greifbares Objekt entsteht. Nur ausgesuchte Modehäuser dürfen ihre Kollektionen Haute Couture taufen, denn der Begriff ist durch die Fédération de la Haute Couture et de la Mode, besser bekannt als Chambre Syndicale de la Haute Couture, geschützt.
Veranstaltungsort mit Biennale-Erfahrung
Die Show endete mit einem atemberaubenden Look, der auf zwei von Jamie Nares großformatigen Pinselstrich-Gemälden basierte, welches sie mit ihren eigens hergestellten Pinseln anfertigte. Das handgenähte, zweiteilige Kleidungsstück, für dessen Herstellung laut "Vogue" 700 Stunden Arbeit und 107 Meter Stoff benötigt wurden, bestand aus einem fünffarbigen roten Siebdruck, der den Pinselstrich wie animiert aussehen ließ, während das Model über den Laufsteg schwebte.
Der rustikale Veranstaltungsort, eine alte Werft mit dem Charme einer Industriebrache auf dem Wasser, diente bereits der Venedig-Biennale. Sie bot den farbprächtigen Couture-Looks und den Gästen, die die Anweisung hatten, in Weiß zu erscheinen, eine raue, aber in ihrem Kontrast stimmige Kulisse.