Es war eine so ganz andere Kunstwelt als die heutige, als der 24-jährige Ernst Beyeler 1945 das Buchantiquariat von Oskar Schloss an der Bäumleingasse 9 in Basel übernahm und es 1952 zur Galerie umbaute. Von hier aus begann die lange Reise des Sohns eines Bahnbeamten vom interessierten Laien zum Kunsthändler, vom Kunstsammler zum Museumsstifter. Als der Schweizer im Februar 2010 mit 88 Jahren starb, war die Kunstwelt längst global - und Basel dank Beyeler eines seiner Zentren.
Ein erster Coup gelang Beyeler, als er Ende der 50er-Jahre dem US-Sammler David Thompson nach nervtötenden Verhandlungen hunderte Kunstwerke abkaufte und damit den Grundstein für die Ausrichtung der Galerie legte: klassische Moderne mit Konzentration auf Kubismus und abstrakte Malerei. Rund 300 Ausstellungen hat Beyeler in seiner Galerie gezeigt.
"Die Fäden der Kunstwelt liefen in seiner außen kaum ausgeschilderten Galerie in der Basler Altstadt zusammen", erinnerte sich Sam Keller, heute Direktor der Fondation Beyeler, 2010 in seinem Nachruf für Monopol. "Über knarrende Treppen stieg man in verwinkelte Räume mit uralten Dielen und Kachelöfen hinauf. Der Rundgang führte durch zwei winzige Zimmer, wo sich eine Handvoll treuer Mitarbeiter drei Telefone, zwei Tischchen und eine Schreibmaschine teilte. Gäste warteten auf einer Holzbank im Flur. Seine Frau Hildy wachte über den Zugang zum 'Allerheiligsten'. Ernst Beyelers Büro war eine Welt für sich, wo sich Gemälde, Möbelstücke, Bücher, Kleinskulpturen, Stammeskunstobjekte, Schwarz-Weiß-Fotografien seiner Künstler im Atelier, getrocknete Pflanzen, Postkarten und ein Calder-Mobile zu einem harmonischen Universum vereinten."
Beyeler war persönlich bekannt mit den Künstlern, die er ausstellte und deren Werke er verkaufte: Er durfte direkt in Picassos Atlelier Bilder aussuchen, Dubuffet vertrat er eine Weile exklusiv, von Kandinsky verwaltete er den Nachlass. Doch nicht nur als Galerist pägte Beyeler die Kunstwelt. 1970 gründete er gemeinsam mit anderen Galeristinnen und Galeeristen der Stadt die Art Basel und trug als langjähriges Komiteemitglied entscheidend dazu bei, dass sie sich zur weltweit wichtigsten Kunstmesse entwickelte. 1982 rief er eine eigene Stiftung ins Leben, um seine gemeinsam mit Hildy Beyeler aufgebaute Sammlung der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Sie wurde erstmals im Museo Nacional Centro de Arte Reina Sofía in Madrid ausgestellt, später in der Neuen Nationalgalerie in Berlin und in der Art Gallery of New South Wales in Sydney. 1997 eröffnete dann das von Renzo Piano entworfene Museum Fondation Beyeler in Riehen, einem Vorort Basels, das seither Millionen Besucherinnen und Besucher angezogen hat und eines der renommiertesten Museen Europas geworden ist. Bald soll es durch einen Neubau von Peter Zumthor erweitert werden.
Wer in so vielen Töpfen rührte wie Beyeler, musste natürlich auch Kritik einstecken. Der Sohn der ehemaligen Besitzerin des Kandinsky-Gemäldes "Improvisation 10" warf Beyeler in den 90er-Jahren vor, 1951 beim Kauf des Bildes gewusst zu haben, dass es sich um Raubkunst handelt, was Beyeler stets bestritt - und vor Gericht darin bestätigt wurde. Die Fondation Beyeler einigte sich 2002 mit den Lissitzky-Erben über das berühmte Bild, das noch heute in Riehen zu sehen ist.
Obwohl er seine Freizeit damit verbrachte, Wandern zu gehen und in den Bergen zu sein, war Ernst Beyeler ein rastloser Geist. Anders ist es nicht zu erklären, dass er am Ende seines Leben zu einer unverständlichen Bilanz kam: "Manchmal bedaure ich, nicht etwas Größeres geschaffen zu haben."