Auf einer großen, frei stehenden, verspiegelten Projektionsfläche scheinen wunderschöne dokumentarische Schwarz-Weiß-Aufnahmen aus Surinam auf. Zwischen den einzelnen Bildern sieht man sich selbst beim Sehen. Das ist formal bestechend, erhellend und höchst wirksam. Die Ausstellung des Städel-Professors Willem de Rooij in dem der Schule angeschlossenen Portikus in Frankfurt hat den Charakter eines künstlerischen Forschungsprojekts, das die Ästhetik der Fotos eines Bildjournalisten aus den 1940er-Jahren überhöht und für die Gegenwart produktiv macht.
Pierre Verger (1902–1996) ging als Ethnologe und Fotoreporter für französische Agenturen nach Brasilien. Dort entwickelte er sich zu einem Experten für die Einflüsse der Nachfahren westafrikanischer Sklaven und für den kulturellen und religiösen Synkretismus, Vermischung der Kulturen und Religionen in der Diaspora. Er wurde zum Experten für die kulturelle Achse zwischen Westafrika und Südamerika, ließ sich selbst zum Candomblé-Priester ausbilden und war zugleich visueller Anthropologe und Ethnologe.
Bei einem nur einwöchigen Aufenthalt im benachbarten, kleinen Land Surinam fand er eine komplett diverse Gesellschaft vor. Er fotografierte indischstämmige Arbeiter, Menschen aus Indonesien und befasste sich intensiv mit den sogenannten Maroon People, den Nachkommen der laut Studien der Unesco insgesamt zwölf Millionen Versklavten, von denen einige in Surinam Seite an Seite mit der indigenen Bevölkerung ihre westafrikanischen kulturellen Praktiken weiterlebten und das Trauma der gewaltsamen Verschleppung in Candomblé-Riten bearbeiteten.
Eine Haltung fern von Exotismus, Voyeurismus und Viktimisierung
Der Niederländer Willem de Rooij ist selbst auf den Spuren Vergers nach Surinam gereist, das zu den ehemaligen niederländischen Kolonien zählt. Verger wurde zu Lebzeiten nur in Brasilien berühmt, in Deutschland kennt man ihn kaum. De Rooij bringt ihn in die aktuellen Diskurse ein, die Schönheit der Bilder ist dabei ein gutes Vehikel.
Das Besondere an Vergers Perspektive ist, dass er trotz der asymmetrischen Machtverhältnisse zwischen Fotografierendem und Fotografiertem eine Haltung einnimmt, die weder von Exotismus, Voyeurismus noch Viktimisierung gekennzeichnet ist. Sein analytischer Blick erkannte auch als einer der Ersten in den rituellen Handlungen der Maroon Strategien der Konfliktbewältigung und Identitätsfindung. Die Ausstellung ist nun wieder geöffnet und bis zum 18. Juli verlängert und lädt auf eine Reise in die Vergangenheit ein.