"Was ist denn das für eine dämliche Aktion? Zum jetzigen Zeitpunkt?“ So kommentierte Hans-Jochen Wagner, Burgtheater-Schauspieler und Kommissar im Schwarzwald-"Tatort" des SWR, das Instagram-Video von Schauspieler-Kollege Pasquale Aleardi ("Kommissar Dupin"). Der widmet sich mit platter Ironie der "Überlastung der Polizei" in der Corona-Pandemie – einer von rund 50 Beiträgen von Schauspielerinnen und Schauspielern unter dem Hashtag #allesdichtmachen (mehr zu der Aktion lesen Sie hier).
Die gleiche Frage stellte sich auch die halbe Republik, beziehungsweise vor allem die rund 80 Prozent der Bevölkerung, die die Corona-Pandemie nicht für eine harmlose Grippe oder gar ein menschengemachtes Propagandainstrument zur Unterjochung des Volkes halten. Die Antwort, die der Initiator der Aktion Bernd K. Wunder - auch einer derjenigen, die Corona als Grippe verharmlost haben - auf Anfrage des "Spiegel" gab, ist niederschmetternd. Sie lautete nur: "Das ist Kunst".
Aber nein, ist es nicht. Der Kunstbegriff, der dahinter steckt, hat ungefähr das Niveau des Dauerwitzes "Ist das Kunst oder kann das weg" - nach dem Motto, wenn Fettecken Kunst sein sollen, dann ist es auch mein ausgelutschtes Kaugummi, und das klebe ich dir jetzt auf den Stuhl.
Dinge nochmal schöner einsprechen lassen, ergibt keine Satire
Natürlich, es werden immer wieder auch politisch extrem provokante Aktionen unter den Schutz der Kunstfreiheit genommen. Auf diese Art hat das Zentrum für Politische Schönheit Björn Höcke ein Holocaust-Mahnmal vor die Tür gestellt und Jonathan Meese im Rahmen einer Performance den Hitlergruß gezeigt. Aber - das vielleicht als Information für den Filmproduzenten Bernd K. Wunder - Kunst entsteht nicht, wenn man Dinge, die in jedem "Querdenker"-Forum pseudo-sarkastisch gefordert und kritisiert werden, noch einmal von Schauspielerinnen und Schauspielern schöner einsprechen lässt. So wie es ja auch keine Satire ergibt, wenn man Trump-Reden einfach noch mal lauter wiederholt, und dabei womöglich im Geheimen noch gut findet.
Es gibt durchaus auch gelungene Beiträge bei den Filmen, wie beispielsweise den von Nadine Dubois, die die Ironie gegen die Privilegierten wendet, die in der Corona-Pandemie gemütlich den Lieferdienst beauftragen und von ihrer Dachterrasse aus über die Menschen im Park lästern. Aber die meisten wirken von empathischen oder solidarischen Gedanken komplett unbeleckt.
Man würde gern wissen, wie genau Herr Wunder die Schauspielerinnen und Schauspieler überzeugt hat, bei seiner Aktion mitzumachen. Heike Makatsch, die ihr Video schnell zurückzog und sich entschuldigte, hat wohl wirklich gedacht, sie würde einen Beitrag zu etwas leisten, das künstlerischen Wert hat. Aber zur Kunst gehört eben auch Urteilskraft, und die Frage nach Inhalt und Form.
Sucht euch ein eigenes Wort dafür!
Was genau soll die Aussage sein? Wozu dient der Sarkasmus? Welchen Mehrwert kann ironisches Genörgel über die Maßnahmen gegenüber dem sonstigen Genörgel über die Maßnahmen bringen? Und wie geeignet sind Youtube-Videos, die beliebig geteilt und in die bekannten Querdenker-Kontexte gebracht werden können, für solche Rollenprosa-Monologe, die am Ende keine sind, sondern einfach Ausdruck mangelnder politischer Urteilskraft der Individuen?
Nein, liebe #allesdichtmachen-Gruppe: Für so etwas steht der Kunstbegriff leider nicht zur Verfügung. Sucht euch ein anderes Wort dafür!