Kunst in der Landschaft ist Kunst im ungeschützten Raum. Man kann ein Werk wind- und wetterfest machen, aber da draußen walten noch andere Kräfte. Der "Engel des Nordens" (1998)
der mit seinen riesigen Flügeln über die Stadt Gateshead bei Newcastle wacht, trotzt der Hitze, dem Sturm und – aktuell – dem Eis. Wenn Nachrichtenagenturen beeindruckende Bilder von Wetterextremen in Nordengland brauchen, fotografieren sie gerne diese gigantische Statue von Sir Antony Gormley. Aber die wahre Bedrohung kommt nun von einer ganz anderen Seite.Der Künstler befürchtet, dass geplante Änderungen an der A1-Autobahn, der längsten Hauptverkehrsstraße in Großbritannien, eine "herzzerreißende" Auswirkung auf den Blick auf seine Skulptur haben werden. Die Umbauten sind Teil eines 250-Millionen-Pfund-Projekts zur Entlastung der A1 südlich von Gateshead, bei dem die Fahrbahn in Richtung Süden auf vier Spuren und in Richtung Norden auf drei Spuren erweitert wird. Das Vorhaben wurde jüngst vom Verkehrsminister genehmigt.
Gormley schreibt indes weiter Eingaben an die staatliche Straßenbaufirma Highways England. Am meisten besorgt den Turner-Preisträger laut "Guardian" geplante neue Brücken, da einige von ihnen "die 1,5-fache Breite des Engels des Nordens" umfassten – und so dessen majestätischen Anblick durchkreuzen würden.
Im Frühjahr sollen die Planungen komplett abgeschlossen sein, bis dahin haben die Verantwortlichen noch Zeit einzulenken. Gormley wolle mit seinen Arbeiten die Fragen von Ursprung, Wachstum und Vergänglichkeit über die Beziehung des Körpers zu Raum und Natur erforschen, sagte Kurator Martin Caiger-Smith anlässlich der Ausstellung des Bildhauers 2019 an der Royal Academy in London. Die Debatte um den "Engel des Nordens" entwickelt sich zum wahren Lehrstück in diesen Dingen.