Als der Bildhauer Gregor Schneider seine Idee vom "Sterberaum" im Jahr 2008 zum ersten Mal formulierte, gab es viel Empörung und wenig Diskussion. Der Künstler hatte laut darüber nachgedacht, in einem Museum einen Raum zu bauen, in dem eine Person öffentlich sterben oder nach ihrem Tod betrachtet werden könnte.
Schneider, der damals von Kamerateams belagert, dessen Müll durchsucht und dessen Nachbarn von Journalisten aufgeschreckt wurden, wie er Monopol damals erzählte, wollte damit den Tod dem Tabu entreißen. In seiner Rolle als Künstler wollte er dem Sterben einen adäquaten Raum geben. Was die Boulevardmedien daraus machten, endete in Todesdrohungen gegen den Künstler, und der "Sterberaum" konnte erst 2011 zum ersten Mal gezeigt werden - ohne freiwillige Sterbende. Dabei ist es bis heute geblieben. Aber das Sterben ist jetzt allgegenwärtig.
So hat das Staatstheater Darmstadt sich bewusst entschlossen, den "Sterberaum" von Gregor Schneider drei Tage und Nächte lang auf der Bühne zu zeigen und live zu übertragen. "Wir haben uns gefragt", so Intendant Karsten Wiegand, "ob es einen Raum geben kann, der hilft, diesen zugleich sehr persönlichen und gesellschaftlichen Fragen konzentriert nachzuspüren".
Was wäre ein idealer Raum für das Sterben?
Das Skandalöse ist verschwunden. Gregor Schneiders damals von vielen als sensationsheischend empfundene Überlegungen sind als räumliche Intervention heute zunächst das Ergebnis einer formalen Überlegung: Was wäre ein idealer Raum für das Sterben? Schneider orientierte sich bei seinem Sterberaum an einem Raum aus dem von Mies van der Rohe gebauten Villen-Duo Haus Lange/Haus Esters, wo er im Jahr 1994 seine eigene Arbeit erstmals ausstellte.
In seinem geringfügig verkleinerten Raum fällt warmes Licht auf Fischgrätenparkett, die Proportionen sind stimmig, die Materialien strahlen Beständigkeit aus: Kirschholzfurniere, Marmorplatten über Heizungen und messinglegierte Fenstergriffe. Dieser Raum hat nichts Skandalöses, er ist ein Denkraum. Von welchen Stoffen, von welcher Atmosphäre möchte man in den letzten Momenten umgeben sein? Auf einer Theaterbühne installiert, ist dieser Form gewordene Gedanke nun zweifach inszeniert. Dass er leer bleibt, macht alle Betrachtenden zum Adressaten, zum möglichen Objekt dieser letzten Vorstellung. Was künstlerisch Bestand hat, ist Schneiders immer wieder bildhauerisch versuchter Zugang zum Unzugänglichen. "Der Tod bleibt für uns eine unverfügbare Erfahrung", sagt Gregor Schneider. "Und doch zeigt uns das Sterben, was es heißt, ein Mensch zu sein. Denn dieses Schicksal teilen wir mit allen Menschen."
Vom 28. Januar, 21 Uhr, bis 31. Januar, 22.30 Uhr, überträgt ein kostenfreier Live-Stream den "Sterberaum" nach draußen und unterbricht auf der Website des Staatstheaters Darmstadt die Präsentation der sonstigen künstlerischen Arbeiten. Drei Perspektiven geben in ihrer Leere, Stille und Ereignislosigkeit Raum für Gedanken zu Tod und Sterben - und für Gedenken.