"Wellenbrecher" heißt die Kampagne des Landes Baden-Württemberg, die in kleinen, aufmunternden Filmchen über Helden des Alltags die Leute zum Durchhalten in der Corona-Krise motivieren soll. Einer dieser "Wellenbrecher" heißt Mike, ist Tänzer und hat durch den Shutdown der Kultur jede Perspektive verloren. Und was macht er? Beginnt ein Medizinstudium. Um wirklich mal was Nützliches zu leisten. "Mach mit!" heißt es am Ende: "Zeig dass auch du ein Wellenbrecher bist."
Hier fordert die Politik also die ganzen überflüssigen Kulturschaffende auf, ihren Beruf aufzugeben und sich für die Gesellschaft zu engagieren - der sie ja vorher nur auf der Tasche lagen. Immerhin, die Unverschämtheit wurde schnell als solche angeprangert: Der Film ist mittlerweile nicht mehr im Netz.
Was aber bleibt, ist eine Politik, die die Bedeutung des Kultursektorts ständig beschwört, aber in der Praxis nicht im Geringsten anerkennt. Theater, Museen, Konzerthäuser haben im zweiten Lockdown erst die Demütigung geschluckt, zum puren Freizeitvergnügen degradiert zu werden und dann ihre Spielpläne umgestellt. Während ihr Publikum sich durch die Einkaufszentren schiebt - wo deutlich weniger Abstand gehalten wird als in einem Museum und weniger Regeln gelten als im Theater - haben die Kulturinstitutionen zum x-ten mal in diesem Jahr Tickets zurückgegeben, andere für Dezember verkauft, Ausstellungseröffnungen verschoben und neu geplant, Personal umdisponiert, Mitarbeiter nach Hause geschickt.
Als würde man aufgefordert, sich doch bitte in Luft aufzulösen
Natürlich, die Infektionszahlen erforderten ein Eingreifen. Aber mit der Frage, wie es jetzt weitergeht, werden die Institutionen allein gelassen. Dass im Dezember wieder Theatervorstellungen oder Museumsbesuche möglich sein werden, erscheint nicht sehr wahrscheinlich.
Was das für den Kultursektor bedeutet, scheint allerdings niemanden zu interessieren - außer den einsamen Rufern im Walde Monika Grütters und für Berlin Klaus Lederer. Es ist, als würde man aufgefordert, sich doch bitte in Luft aufzulösen. Übrigens: Studienplätze für Medizin sind gar nicht so viele zu bekommen. Wenn schon, dann sollte die Politik die störenden Kulturschaffenden lieber für Pflegeberufe motivieren. Schlechte Bezahlung sind sie ja gewohnt.