Mary Wollstonecraft wurde 1759 in London geboren. Sie setzte sich für Bildung für Mädchen ein und schrieb über die Gleichstellung der Geschlechter. 1792 veröffentlichte sie die "Verteidigung der Rechte der Frau", einer der ersten feministischen Grundlagentexte in Europa. Diese Frau hat also ein Denkmal verdient – aber nicht unbedingt das, welches sie jetzt bekommen hat.
Seit zehn Jahren setzt sich die Organisation Mary on the Green für eine Wollstonecraft-Statue in London ein, in einer Stadt, in der nach Angaben dieser Initiative 90 Prozent der Statuen im öffentlichen Raum Männer darstellen. Jetzt wurde sie endlich eingeweiht. Die durch Spenden finanzierte Arbeit der britischen Künstlerin Maggi Hambling zeigt eine nackte, schlanke Frau, die aus einem Berg silbernen Metalls emporgehoben wird.
Sofort wurden in den sozialen Medien kritische Stimmen laut, die bemängeln, dass die Statue nicht Mary Wollstonecraft zeige, sondern eine fiktive, der Schönheitsnorm entsprechende, junge und vor allem nackte Frau. Nach der Enthüllung überklebten Demonstranten Teile der Statue mit Tape und versahen sie mit zwei Masken und einem Mantel. Am nächsten Tag wurde das Werk zeitweise mit einem T-Shirt bedeckt.
Eleanor Naire weist in der "New York Times" darauf hin, dass die Inschrift an der Statue "To Mary Wollstonecraft" lautet. Es gehe nicht darum, die feministische Aktivistin selbst abzubilden sondern deren Geist, so die Idee der Künstlerin. Da Wollstonecraft everywoman sei, und Kleidung Personen auf eine bestimmte Herkunft, Zeit und Charakter beschränken würden, habe sie bewusst diese "zeitlose" Akt-Darstellung gewählt.
Die everywoman aber mit einem normschönen Körper zu versehen, verweise aber – wie Rhiannon Lucy Cosslet im "Guardian" schreibt – auf ein stereotypes Frauenbild: "Es ist schwer vorstellbar, dass ein männlicher Schriftsteller oder Denker durch die Skulptur eines winzigen nackten Mannes 'geehrt' wird, der sich wie eine Ken-Puppe aus einer Masse 'organischer Materie' herausschält." Auch Schriftstellerin Tracy King äußerte sich in ähnlicher Weise.
Die Initiatoren des Projekts verweisen auf den revolutionären Charakter von Hamblings Arbeit und den gewollten Bruch mit der Tradition von Denkmälern im öffentlichen Raum. Die Künstlerin beschreibt ihren Entwurf als "Turm, gebildet aus einer Vermischung weiblicher Formen", die ihren Höhepunkt in der weiblichen Form an der Spitze finden, "bereit, sich der Welt entgegenzustellen". Die organische Masse der Basis solle, so die Künstlerin, die Vorstreiterinnen symbolisieren, die sich für die gleiche Sache wie Wollstonecraft einsetzten. Sie wählte nach eigenen Angaben Silber, da sie diese als weiblicher erachtete als eine Bronze.
Der New Yorker Kunstkritiker Jerry Saltz nannte die Skulptur "feministischen Kitsch". Der Stil sei der expressionistischen Bildhauerei der 1920er-Jahre entnommen, man denke an Rodin, und die Künstlerin weise keine eigenen Ideen auf. Einige Kritiker schlugen sogar ein Gegendesign vor – es zeigt Wollstonecraft bekleidet und mit einem Stapel Bücher.
Caroline Criado-Perez, die daran mitwirkte, eine Statue für die Feministin Millicent Fawcett auf dem Parliament Square in London zu errichten und die Schriftstellerin Jane Austen auf die 10-Pfund-Note zu bringen, kritisierte die Idee eines Denkmals, das keine spezifische Frau darstelle. Durch die wenigen vorhandenen Denkmäler, die Frauen repräsentieren, sei es verlockend eine allgemein gültige Statue zu errichten. Statuen von Männern würden aber immer klar erkennbare individuelle Züge tragen, und diese hier werde Wollstonecraft nicht gerecht, so Criado Perez im "Guardian".
Wer genug von der Darstellung von Mary Wollstonecraft hat, kann sich von der "Huffington Post" inspirieren lassen: "21 Statues Of Great Women Who Don't Have Their Fannies Out".