Die zahlreichen Facetten einer Gesellschaft mit einer Fotoreihe darzustellen, ist spätestens seit dem Buch "The Americans" (1958) von Robert Frank keine Neuheit mehr. Spannend an der Arbeit der schweizerischen Porträtfotografen Mathias Braschler und Monika Fischervon Braschler ist aber vor allem der formale Aufbau und die steife Inszenierung der Modelle. Braschler und Fischer arbeiten seit ihrem Projekt "About Americans" (2003) zusammen und halten in Fotostrecken Menschen jeglicher Herkunft, Kultur, sozialen Schicht und beruflichen Tätigkeit fotografisch fest. Für ihre jüngste Serie "Divided We Stand" reisten sie 2019 mit einem portablen Fotostudio durch 40 Staaten der USA und legten 24.000 Kilometer in 100 Tagen zurück. Kurz vor der US-Wahl erinnern die Porträts daran, dass hinter den tief gespaltenen politischen Lagern einzelne Menschen stehen.
In Braschler und Fischers Fotoreihe "About Americans" von 2003 sind die Personen noch im Freien abgelichtet, bei "Divided We Stand" - 16 Jahre später - sind sie vor einem streng weißen Hintergrund inszeniert. Diese "Americans" sind in ihrer Berufskleidung abgebildet und halten teilweise Objekte wie Waffen, eine Fahne oder einen Sattel in der Hand.
Die Statik der Personen und die durch Kleidung und Requisiten visualisierte Berufszuschreibung erinnert an frühe Renaissancegemälde, in denen sich erstmals "normale" Menschen, wie Kaufleute mit ihren berufsgebenden Attributen malen ließen. Durch den immergleichen weißen Hintergrund und die strenge Bildkomposition ist die Serie "Divided We Stand" nicht nur sozialwissenschaftlich, sondern auch kunstwissenschaftlich spannend.
Diverses Land mit diversen Problemen
Aber ihr Werk zeigt nicht nur die Zerrissenheit eines Landes, die seit Trump immer stärker spürbar wird. Die Fotografien regen dazu an, nicht nur in Demokraten und Republikanern zu denken, sondern ein diverses Land mit diversen Problemen zu sehen. Trotz der Berufszuordnung und Darstellungsweise wird die politische Haltung der Abgebildeten nicht aufgedeckt, die Betrachterinnen werden dazu eingeladen, anhand der Darstellung zu schlussfolgern, in welches politische Lager die Menschen gehören. Aber spätestens, wenn die Einordnung nicht gelingt, das Äußere nicht genug Aufschluss bringt, wird klar, dass ein so vielfältiges Land wie die USA sich nicht in zwei Gruppen aufteilen lässt.
Die Serie "Divided We Stand" sollte vom 21. November bis 7. März 2021 im Lechner Museum Ingolstadt gezeigt werden, bis Ende November bleibt das Museum jedoch wegen der verschärften Corona-Auflagen geschlossen. Ein digitaler Besuch der Schau soll ermöglicht werden. In der Ausstellung werden die 47 ausgewählten Fotografien durch die Verwendung von Film, Audio-Mitschnitten und Texten auf Deutsch und Englisch kontextualisiert. Ungeduldige können die Werke bereits im Katalog anschauen, der bei Hartmann Books erschienenen ist.