Maurin Dietrich, Direktorin des Kunstvereins München
"Wir finden die Schließung unverhältnismässig. Wir haben, wie anderen Museen und Institutionen, schon vor Monaten ein umfassendes Hygienekonzept erarbeitet und können in unseren Räumen im Kunstverein München sehr viel Abstand halten. Auch die Subsumierung von Museen und anderen Kunstinstitutionen unter 'Freizeitaktivität' finde ich sehr problematisch. Kultur wird damit zu etwas, was man sich nebenher leistet, jegliche Wichtigkeit wird ihr abgesprochen. Hier tritt wieder verstärkt das immer noch bestehende Problem zutage, dass ökonomische Regeln für die Arbeit von Kulturschaffenden keine Anwendung finden und somit nicht als Arbeit anerkannt wird. Es scheint eine Krise der Narration zu sein – Komplexität im Nachdenken über verschiedene Realitäten wird sich nicht geleistet.
Wir schließen unsere Ausstellung 'Not Working – Künstlerische Produktion und soziale Klasse' und werden alle Veranstaltungen absagen müssen beziehungsweise ins Digitale verlegen. Honorare werden natürlich trotzdem gezahlt, sie sind ja bereits budgetiert. Uns werden aber Einnahmen etwa durch Ticketverkäufe fehlen. Außerdem stehen wir vor der Aufgabe, die für viele deutsche Kunstvereine so wichtigen alljährlichen Jahresgaben digital umzusetzen; ein Kraftakt und große Unsicherheit. Dabei ist gerade das Format eine wichtige Einnahmequelle für die über 80 Künstler*innen, die dieses Jahr mit dabei sind und auch für den Kunstverein."
Nikola Dietrich, Direktorin Kölnischer Kunstverein
"Ich denke angesichts der Lage ist es richtig, die Häuser zu schließen. Auch wir möchten natürlich dafür Sorge tragen, dass der Virus eingedämmt werden kann. Zum Schutz aller und in der Hoffnung, im nächsten Jahr wieder ein 'normal' funktionierendes Programm mit Veranstaltungen durchführen zu können.
Wir können am morgigen Freitag, 30. Oktober, die eben fertig gestellte Ausstellung 'The Köln Concert' mit Dorothy Iannone und Juliette Blightman eröffnen und sie über das Wochenende für Besucher*innen noch offenhalten. Danach müssen wir erst einmal wieder schließen. Wir haben die besondere Gegebenheit, dass die Ausstellungshalle des Kölnischen Kunstvereins über die Fensterfront einsehbar ist und haben Malereien und Skulpturen ausgestellt, die sich auch von Außen erschließen lassen. Das ist natürlich keinesfalls ideal, aber ermöglicht zumindest eine Art von Zugang. Wie sicherlich viele andere Ausstellungshäuser auch, denken wir vermehrt über andere Möglichkeiten der Kunstvermittlung nach, sodass beispielsweise Online-Gespräche mit den Künstlerinnen stattfinden oder Rundgänge durch die Ausstellung auf die Website verlegt werden.
All das ersetzt natürlich niemals den Austausch, das Gespräch mit den Besucher*innen oder die direkte Kunsterfahrung vor Ort. Zusätzlich ist die erneute Schließung und die Ungewissheiten darüber, wie es weiter geht, für unser Team, wie für alle, sehr belastend und bedeutet einen ungeheuren Mehraufwand. Gleichzeitig können wir für diese Zeit keinen Arbeitsplatz mehr für Teile unseres Personals bieten; das trifft insbesondere unser Aufsichts,- sowie Kassenpersonal."
Matthias Mühling, Direktor der Städtischen Galerie im Lenbachhaus, München
"Die Entscheidung Museen erneut zu schließen, nehmen wir enttäuscht und traurig zur Kenntnis.
Schade ist dies auch für unsere Besucher*innen, wurde doch unsere kürzlich eröffnete Ausstellung 'Unter Freiem Himmel - Unterwegs mit Wassily Kandinsky und Gabriele Münter' gut angenommen. Für viele Menschen bedeutet die Schließung von Museen einen Verlust an Lebensqualität. Kultureinrichtungen sind Orte der gesellschaftlichen Auseinandersetzung, nicht nur der Unterhaltung und Freizeit, hier wird Demokratie gelebt und gestaltet.
Selbstverständlich werden wir die Schließung reibungslos und unverzüglich umsetzen, auch in der Kürze der Zeit, die uns dafür gegeben wird.
Als Museum sind wir auch eine Einrichtung, welche mit vielen externen Firmen und Dienstleistern verzahnt ist; die Landeshauptstadt München hat Flächen in unserem Haus an einen Buchladen und ein Restaurant verpachtet, hinzu kommen viele Partner, von der Elektriker-Firma über Grafikbüros bis zu externen Kunstvermittler*innen, mit denen wir zusammen einen lebendigen Museumsbetrieb gestalten. Dahinter stehen Menschen, die nicht einfach ab- und wieder einbestellt werden können, als würde man einen Wasserhahn zu- und wieder aufdrehen. Unsere Aufsichts- und Reinigungsdienst, unsere Kassenpersonal der Firma MünchenTicket, die externen Vermittler*innen und Unternehmen wird die Schließung - wenn auch nur für vier Wochen - enorme Belastungen bedeuten und Enttäuschungen produzieren. In Anbetracht dieser vielen Menschen und unserer Besucher*innen hoffen wir, dass wir bald wieder öffnen können. Gerade deshalb nehmen wir unser Hygienekonzept sehr ernst."
Moritz Wesseler, Direktor des Fridericianum in Kassel
"Es ist natürlich sehr schade, dass das Fridericianum ab Montag wohl schließen muss. Wir verfügen über ein ausgefeiltes Sicherheitskonzept und waren bislang zuversichtlich, den Betrieb aufrecht erhalten zu können, zumal von Ausstellungshäusern ein relativ geringes Gefahrenpotential ausgeht.
Kultur ist ein unverzichtbarer Bestandteil des gesellschaftlichen Lebens. Ab der kommenden Woche versuchen wir daher verstärkt, über unsere digitalen Kommunikationskanäle die Inhalte der neusten Projekte von Alexandra Bircken und Tarek Atoui zu vermitteln. Im Zuge des letzten Lockdowns wurden unsere Kompetenzen und Kapazitäten in diesem Bereich stetig erweitert."
Christina Végh, Direktorin Kunsthalle Bielefeld
"In NRW hat Ministerpräsident Armin Laschet das letzte Wort, wir rechnen am Freitag mit einer endgültigen Entscheidung. Ich gehe momentan davon aus, dass wir schließen werden. Wir sind besser auf den Lockdown vorbereitet als im Frühjahr, und wenn es darum geht, dass die Menschen ihre Kontakte reduzieren sollen, ist es zunächst nachvollziehbar, dass auch die Museen zugemacht werden müssen. Aber ich finde es problematisch, dass die Menschen von den Maßnahmen sozusagen auf Essen, Arbeiten und Schlafen reduziert werden. Wie soll man verstehen, dass man in der Deutschen Bahn zur Arbeit fährt, aber nicht im Theater sitzen kann, wo drei Reihen zwischen den Zuschauern abgesperrt sind? Die Politik behauptet, dass sie weiß, dass es um einen neuerlichen Stresstest geht, schließlich haben wir im Sommer gesehen, zu welchen gesellschaftlichen Verwerfungen und Aggressionen es gekommen ist, Ausschreitungen in unterschiedlichen Formen von Vandalismus bis hin zu einer wachsenden Zahl von Corona-Leugnern.
Kultur ist nicht nur Unterhaltung, wie es momentan im Raum steht durch die Verlautbarungen, sondern genauso Ort der Bildung, in gewisser Weise kann man sie auch als Ventilort begreifen: Was spricht dagegen, allein oder als Familie ins Museum zu gehen? Wir sind im Ausstellungswesen sehr sichere Orte in der Pandemie. Ich erwarte von der Politik in dieser Situation keine Langzeitprognose, wie es weitergeht, aber ich wünsche mir, dass genauer hingeschaut wird. In den Schulen beispielsweise haben sie jetzt überall das Problem, dass der Raum zu eng ist und die Belüftung schwierig. Man hätte sagen können: Wir öffnen die Kulturorte wenigstens für Bildung – wir haben hier Platz und können den nötigen Abstand gewähren. Man muss die Kultur in ihrem Nutzen begreifen, sie als wichtige gesellschaftliche Unterstützung ernst nehmen und ins Boot holen, anstatt sie handlungsunfähig zu machen und sie nur in der Rolle der reinen Unterhaltung einzustufen."