Amsterdamer Raubkunst-Prozess

Erben wollen Kandinsky zurück

Aus der Sammlung Lewenstein werden 1940 zwei Kandinskys verkauft. Einer gelangt nach München, der andere kommt in Amsterdam ins Museum - für 160 Gulden. Ein klarer Fall von Raubkunst, sagen die Erben

Gut 80 Jahre nach dem Kauf eines Kandinsky-Gemäldes muss nun ein Gericht in Amsterdam entscheiden, wem das "Bild mit Häusern" gehört: Ist die Stadt Amsterdam Eigentümerin und hängt das Bild rechtmäßig im Stedelijk Museum für moderne Kunst? Oder aber handelt es sich um NS-Raubkunst und muss daher den Erben zurückgegeben werden? Ab Donnerstag, 29. Oktober, verhandelt das Gericht die Klage der Erben. Sie waren vor Gericht gezogen, nachdem eine staatliche Kommission 2018 entschieden hatte, dass sie keinerlei Anspruch auf Rückgabe hätten.

Die Erben der ursprünglichen jüdischen Eigentümer Lewenstein wollen die Rückgabe des Bildes. Sie seien die rechtmäßigen Eigentümer von "Bild mit Häusern" (1909) des russischen Malers Wassily Kandinsky (1866-1944). Unbestritten ist: Das Bild aus der Sammlung Lewenstein war unter dem Eindruck des NS-Regimes im Oktober 1940 versteigert worden - fünf Monate nach dem Überfall der deutschen Wehrmacht auf die neutralen Niederlande.

Das Museum kaufte den Kandinsky damals für 160 Gulden. "Das war auch für damalige Verhältnisse ein Witz", sagt der Anwalt der Erben, Axel Hagedorn, der Deutschen Presse-Agentur in Amsterdam. "Der Wert des Gemäldes wurde damals bereits auf 2000 bis 3000 Gulden beziffert."

Die niederländische Restitutionskommission hatte Ansprüche der Erben jedoch zurückgewiesen und auch angeführt, dass die Lewensteins - Eigner einer Nähmaschinenfabrik - schließlich das Bild freiwillig zum Verkauf angeboten hätten. Grund waren demnach auch "verschlechterte finanzielle Umstände", in der sich Familie und Firma bereits vor der deutschen Besatzung befunden haben sollen. Dem aber widerspricht der Anwalt. Hagedorn will mit Gutachten vor Gericht das Gegenteil belegen.

"Das hier ist reine Raubkunst"

Zugleich weist er darauf hin, dass die Kommission einem Grundsatz der offiziellen Rückgabepolitik Den Haags widerspreche. Danach kann nämlich von einem freiwilligen Verkauf von Juden nach Mai 1940 nicht mehr die Rede sein. "Dass eine jüdische Familie während der Besatzung freiwillig Bilder verkauft, ist Unsinn", sagt Hagedorn. "Das hier ist reine Raubkunst."

Ein weiteres Argument der staatlichen Kommission fanden auch Historiker und Vertreter der jüdischen Gemeinschaft haarsträubend. Die Rückgabe-Kommission hatte angeführt, dass die drei Lewenstein-Erben ja keinerlei emotionale Bindung zu dem Bild hätten. "Das Interesse des Stedelijk Museums wiegt schwerer als das Interesse der Erben, denn die hatten keinen Bezug zu dem Bild." Die Richter müssen nun die Frage klären, ob das Interesse von einem Museum überhaupt in einem solchen Fall eine Rolle spielen darf.

Der Amsterdamer Prozess hat eine direkte Verbindung zu einem Fall in Deutschland. Denn damals im Oktober 1940 war aus der Sammlung Lewenstein noch ein zweiter Kandinsky versteigert worden: "Das bunte Leben" (1907). Die Erben wollen auch die Rückgabe dieses Gemäldes erreichen, das zurzeit als Leihgabe der Bayerischen Landesbank im Lenbachhaus in München hängt. Über diesen Fall muss nicht das Amsterdamer Gericht, sondern die deutsche Limbach-Kommission entscheiden. Wann das Gericht in Amsterdam entscheidet, ist unklar.