Der Türsteher des berühmten Berliner Clubs Berghain ist auch ein bekannter Fotograf: Nun zeigt Sven Marquardt eine Ausstellung mit Porträts von Ensemblemitgliedern im Berliner Friedrichstadt-Palast. Der Titel "Stageless" bekommt in der Coronavirus gleich mehrere Bedeutungen. Die Fotos zeigen die internationalen Darstellerinnen und Darsteller des Revue-Theaters unmittelbar nach einem Auftritt - also bühnenlos. Gleichzeitig fehlt gerade in ganz Berlin das Kultur- und Nachtleben. Der Friedrichstadt-Palast, der für seine opulenten Musik- und Tanz-Inszenierungen bekannt ist (zuletzt "Vivid"), ist für den regulären Betrieb geschlossen. Auch Marquardt hat für seine Tätigkeit als Türsteher gerade keine große Bühne. Im Berghain findet bis auf weiteres eine Kunstausstellung statt.
Für die Foto-Ausstellung im Foyer des neuerdings denkmalgeschützten Friedrichstadt-Palasts schlossen sich das Theater und das Ausstellungshaus C/O Berlin zusammen. Der Eintritt ist kostenlos, der Einlass wird aber über Zeitfenster-Tickets geregelt. Beide beteiligten Institutionen vereine der Wunsch, "ein Zeichen der Solidarität zu setzen und Berlin als Kulturhauptstadt endlich wieder leuchten zu lassen", erklärte Theaterintendant Berndt Schmidt. C/O-Berlin-Chef Stephan Erfurt sagte: "Dabei verbindet uns der Glaube, dass in einer Krise keine Kunst auch keine Antwort ist, sondern vielmehr neue kreative Wege eingeschlagen werden können."
Marquardt (Jahrgang 1962) ließ sich nach einem Besuch der "Vivid Grand Show" von den Tänzern und einem Musikvideo inspirieren: "Zu Hause angekommen, schaute ich gefühlt 100 Mal die wunderbare Annie Lennox, in ihrem Musikvideo 'Why', die sich darin backstage melancholisch auf ihren großen Auftritt vorbereitet und mit jedem Pinselstrich zu einer Diva erstrahlt." So sei die Idee zu "Stageless" geboren worden. Im Gegensatz zu Marquardts vor Coolness und Nachtlebensfreude strotzenden Fotos aus der Clubszene sind die neuen Bilder bedeutend leise, fast melancholisch und auf gewisse Art auch klassischer. Es geht hier nicht um den Zauber der Revue, sondern um eine stille Einkehr danach, die von den expressiven Gesichtern der Modelle lebt. Im Kontext der Corona-Pandemie erinnern sie auch an den Ausnahmezustand in der Kulturbranche: Der Vorhang bleibt zu.