Rache ist süß. Das wird sich möglicherweise der Berliner Künstler Leon Kahane gedacht haben, als er das erste Mal auf die grünen Benzinkanister stieß, aus denen er seine Installation "Jerrycans to can Jerry" machte. Bis Silvester kann man sich diese noch in der Leipziger Galerie für zeitgenössische Kunst anschauen. Die Arbeit muss als Hinweis an die Verantwortung der Nachfahren der NS-Täter verstanden werden.
Denn der Handschlag mit den Nazis und die Enteignung der europäischen Juden hat nicht nur während des Zweiten Weltkriegs, sondern auch darüber hinaus für eine Umschichtung der finanziellen Verhältnisse gesorgt. Er hat den Kindern und Enkeln der NS-Täter das deutsche Wirtschaftswunder beschert, schicke Häuser in westdeutschen Käffern und Großstädten finanziert, die Schulabschlüsse in Salem oder eben protzige Altbauwohnungen im Berliner Scheunenviertel, die man in den 1990er-Jahren für lächerliche 10.000 DM erwerben konnte.
Manchmal kam bei der Zusammenarbeit mit den Nazis sogar so viel Geld bei rum, dass ein internationaler Konzern mit Milliardenumsatz entstand. Wie im Fall der Familie der Kunstsammlerin Julia Stoschek.
Und genau dieser Konzern hatte Leon Kahane interessiert, als er sich nach der ersten Begegnung mit den grünen Benzinkanistern über Stoscheks Urgroßvater Max Brose informierte. Er fand allerhand interessante Informationen: Zum Beispiel, dass Brose damals von den Nazis beauftragt wurde Benzinkanister zu bauen, die im Zweiten Weltkrieg Verwendung fanden. Genauer gesagt für alles, was Benzin brauchte. Damit wurde Brose so erfolgreich, dass er dringend mehr Personal benötigte. Das ging damals am billigsten und leichtesten mit Zwangsarbeitern. Es waren wohl 200 sowjetische Kriegsgefangene. Aber sicher wissen tut das bis heute niemand.
Broses Benzinkanister hilf zum Sieg über Hitler
Die Nachfrage machte die Firma Brose binnen kürzester Zeit zum Massenproduzenten. Und nach dem Krieg wurde Max Brose, der über den gesamten Zeitraum der NS-Herrschaft nicht nur NSDAP-Mitglied, sondern auch noch Wehrwirtschaftsführer war, aufgrund seiner Relevanz der Persilschein ausgestellt.
Um diese, naja vielleicht nennen wir es einfach weltliche Ungerechtigkeit, zu visualisieren, hat Kahane 20 grüne Benzinkanister bestellt. Die hat er OCD-mäßig aufeinandergestapelt und einen Bildschirm darauf abgestellt, auf dem ein Video läuft. In Endlosschleife. Darin sieht man einen süßen kleinen Benzinkanister-Opi, im Sessel sitzend und Pfeife rauchend, wie er aus seinem Leben als Benzinkanister erzählt.
Ein schweres Leben, ein hartes Leben, ein Leben als Veteran, aber nicht als deutscher, sondern als britischer. Denn dieser kleine Benzinkanister-Opa, den Kahane dort vorstellt, ist Engländer. Er wurde zwar in Deutschland von Stoscheks Urgroßvater Brose produziert, zum Massenprodukt gepimpt, aber im Laufe des Krieges auch von den US-Amerikanern geklaut und anschließend von den Briten nachgebaut. Broses Benzinkanister, der genial für die damalige Zeit war, verhilft schließlich den Alliierten, den Krieg gegen Hitler zu gewinnen.
Genau deshalb hat Kahane seine Arbeit auch "Jerrycans to can Jerry" genannt, nach dem gleichnamigen Propagandafilm der Briten nämlich, der darauf verweist, die Jerrys (Deutschen) mit ihrem eigenen Produkt (Jerrycan) zu schlagen (to can). So geschehen. Glücklicherweise. Und so nachzuschauen in Leipzig. Auch glücklicherweise.
Dies ist die aktualisierte Fassung eines Artikels von 2020 anlässlich der ersten Ausstellung der Installation "Jerrycans to can Jerry"