"Mansplaining" in Gemälden

Erklär' mir nicht meine Welt!

Die bevormundenden Kommentare männlicher Twitter-Nutzer verarbeitet Nicole Tersingi mit Bildern klassischer Gemälde zu treffenden Memes. Nun gibt es die gesammelten Ergebnisse als Bildband

Das Konzept hinter mansplaining – einem Begriff, der sich inzwischen auch in der deutschen Sprache völlig etabliert hat – wurde zum ersten Mal 2008 von der US-amerikanischen Publizistin Rebecca Solnit verschriftlicht. In einem Essay beschreibt Solnit eine Anekdote, die sie 2003 auf einer Party im mondänen Skiort Aspen erlebte: Ein älterer, wohlhabender Herr belehrte sie unermüdlich über ein kürzlich erschienenes Buch über den Fotografen Eadweard Muybridge. Hätte er sich auch nur einen Moment in seinen Ausführungen unterbrechen lassen, so hätte er erfahren, dass die Autorin eben dieses Werkes ihm gerade gegenüberstand – Solnit selbst hatte es verfasst.

Kurz nach der Veröffentlichung des Essays "Men Explain Things to Me; Facts Didn’t Get in Their Way" ("Männer erklären mir Dinge und lassen sich nicht von Fakten aufhalten") tauchte die Wortneuschöpfung mansplaining (aus dem englischen man und explaining) dann in feministischen Blogs auf und verbreitete sich Ende der 2000er wie ein Lauffeuer im Internet. Ein Blogpost von 2010 definiert mansplaining zum Beispiel wie folgt: "Wenn ein Mann dir, einer Frau, erklärt, wie du etwas tun sollst, das du bereits tun kannst, oder behauptet, du seist im Irrtum über etwas, bei dem du in Wirklichkeit recht hast, oder wenn er dir falsche, angebliche Fakten zu einem Thema nennt, über das du viel mehr weißt als er". Ein vermeintlich besserwissender Mann also, der einer anderen – meist weiblichen – Person ungefragt die Welt erklärt. Der Begriff benennt die Form jener Machtasymmetrie zwischen Männern und Frauen, die sich in Kommunikation ausdrückt.

Inzwischen ersetzt mansplaining auch im deutschen Sprachgebrauch das, was zuvor vielleicht als männlicher Chauvinismus beschrieben worden wäre. 2015, als der Begriff in Australien zum Wort des Jahres gekürt wird, schreibt beispielsweise auch Julia Bähr in der "FAZ" darüber, wie sich Alltagssexismus im täglichen Sprachgebrauch widerspiegelt.

Hört auf, mir meinen eigenen Witz zu erklären

Mehr als zehn Jahre sind seit Rebecca Solnits Essay vergangen, und das (durchaus kontrovers diskutierte) Wort ist im Internet-Zeitalter weltweit beliebter als je zuvor. Nicht unbedingt ein Wunder, denn auf Twitter funktioniert mansplaining besonders gut.

Als Comedy-Autorin Nicole Tersigni also auf Twitter beobachtet, wie männliche Nutzer einer befreundeten Comedienne in den Kommentaren ihren eigenen Witz zu erläutern versuchen, beschließt sie, ihrer Reaktion mithilfe eines selbstkreierten Memes Ausdruck zu verleihen: Sie postet ein Bild eines Ölgemäldes von Jobst Harrich aus dem 17. Jahrhundert, das eine Frau zeigt, die inmitten eines Gedränges älterer Männer einen Nippel entblößt (im Original soll sie eine Ehebrecherin darstellen), und betitelt es mit "Vielleicht, wenn ich eine Brust heraushole, hören sie damit auf, mir meinen eigenen Witz zu erklären".

Der Post zieht virale Kreise durch die Twitter-Community und entwickelt sich zur Serie. Gemälde, die Frauen in Konversation mit Männern abbilden, mixt Tersigni gekonnt mit frechen Bildunterschriften. Man darf vermuten, dass den abgebildeten historischen Damen ähnlich bevormundende Kommentare wohl kaum fremd waren. Im Kontext mit den neuen Untertiteln wirken ihre sanft-neutralen Gesichtsausdrücke Richtung Betrachter fast wie das "Breaking of the Fourth Wall" in Sitcoms wie "The Office" – der ironische Blick in die Kamera von Figuren, die ihre Ungläubigkeit zu den sich abspielenden Geschehnissen unterstreichen wollen.


Die Schöpfungen aus ihrem Twitter-Thread hat Nicole Tersigni nun in einem Bildband verewigt – ein Ratgeber über "Männer, denen man in Kunst und Leben lieber aus dem Weg geht" ("Men to avoid in art and life"). Aufgeteilt werden die comicartigen Bilder in fünf Kategorien: Der mansplainer (der die Frau über ein Thema belehrt, über das sie wesentlich mehr weiß als er), der Concern Troll (der vorgibt, sich bloß um sein Gegenüber zu sorgen), der Comedian (der nicht nachvollziehen kann, wenn seine Witze nicht angemessen rezipiert werden), der sexpert (der sich als Experte im Themengebiet der weiblichen Anatomie und Sexualität wahrnimmt), und der patronizer (der sein Gegenüber bevormundet).

Witz und schmerzhafte Treffsicherheit

Mit Witz und schmerzhafter Treffsicherheit verbildlicht die Autorin Situationen, die Frauen - sei es aus dem 21. oder dem 18. Jahrhundert - höchstwahrscheinlich aus dem eigenen Leben wiedererkennen können. Und ja, allen ist bewusst, dass nicht alle Männer (und schon gar nicht absichtlich) diesen paternalisierenden Verhaltensweisen verfallen.

Die Idee, klassische Gemälde im feministischen Kontext mit neuen Bildunterschriften zu kombinieren, ist allerdings keine neue, auch wenn sie in Tersignis Bildband gelungen präsentiert wird. Im Internet kursieren ähnliche Memes schon seit Jahren, und tatsächlich gibt es auch ein deutsches Pendant, was einem ähnlichen Konzept folgt. Patriarchale Strukturen humorvoll mit alten Gemälden erklären, das tun nämlich auch die Betreiberinnen des Twitter-Accounts Pre-Raphaelite Girls Explaining. Bereits 2018 veröffentlichten sie aus ihren feministischen Memes das Buch "Präraffaelitische Girls erklären das Internet".