Tyler Mitchell wurde 1995 in Atlanta geboren. Er entwickelte ein Gespür für die große Macht von Schönheit und Coolness, sah sich die frühen Skate-Videos von Spike Jonze ganz genau an. Aber auf den Plattformen wie Tumblr, über die man damals durch Bilder miteinander kommunizierte, fand er sein Lebensgefühl hauptsächlich durch Weiße Models repräsentiert: Sinnliche, junge, attraktive Menschen, die herumrannten, frei waren und Spaß hatten. Mitchell wuchs auf mit den Bildern von Larry Clark und Ryan McGinley, Bildern von Wildheit, Zärtlichkeit und Aufbruch. Gefühle, die einer Weißen Monokultur vorbehalten zu sein schienen.
"Ich denke oft darüber nach, wie Spaß für Weiße aussieht, und habe immer das Gefühl, dass es den für Schwarze nicht auf die gleiche Art gibt", sagt Mitchell. "Meine Arbeit ist entstanden aus dem Wunsch, diese Lücke zu füllen. Ich habe den Drang, eine Bildwelt zu schaffen, in der Schwarze frei, ausdrucksstark, mühelos und sensibel gezeigt werden."
Der junge Fotograf war der erste Schwarze, der für die "Vogue" das Covershooting machte (es war Beyoncé für die September-Ausgabe 2018). Für seine Botschaft, sagt Mitchell, sei es aber egal, ob er Prominente fotografiere oder sein privates Umfeld. "Ich unterscheide kaum zwischen meinen Auftragsarbeiten und meinen persönlichen Arbeiten. Beide nutze ich als Gelegenheit, dieses utopische Universum zu schaffen - sei es, um Beyoncé, Spike Lee, Skater in Kuba oder meine sehr engen Freunde zu fotografieren."
Der Sand auf der Haut erinnert an Engelsflügel
Das utopische Universum, das Fotografie sein kann: Mitchell erschafft eine Welt, in der Schwarze vollkommen selbstverständlich ihre eigenen Sehnsuchtsbilder von Schönheit, Erfolg, Flirts, Sexyness, Glück formulieren. Eines seiner künstlerischen Mittel ist dabei die durchdachte Komposition, nichts ist zufällig. Und fängt doch genau die Spontaneität und Spannung ein, die entweder zwischen den Dargestellten oder zwischen Model und Berachter attraktiv zündet.
Auf einem Bild ist eine Frau in Rückenansicht zu sehen, sie sitzt am Strand und trägt einen Badeanzug, der Rücken ist mit Sand bedeckt, die Form des Abdrucks erinnert ein bisschen an Engelsflügel. Mitchell zeigt ihr Gesicht nicht, wir sehen durch sie das, was sie selbst sieht: einen Tag am Meer.
Dabei geht es nicht nur um die irdische Paradies-Vorstellung vom feinkörnigen Strand, sondern auch um den Schwarzen Körper und seine vielschichtige Geschichte aus Aneignung, Ausbeutung, Idealisierung. Darin eine eigene Sprache zu finden und im ganzen Oeuvre durchgängig weiter zu formulieren, das gelingt Tyler Mitchell in seiner ersten großen Monografie "I Can Make You Feel Good".
Das Potenzial von Bildern an sich
Schon dieser einfache Titel hat so viele tiefere Ebenen, wenn man ihn einmal wirken lässt. Es geht um Selbstbehauptung, aber auch um das Potenzial von Bildern an sich. Auf jeden Fall um viel mehr als nur darum, mit schönen Bildern und Kleidern etwas zu behaupten. "Ich betrachte Mode als einen Raum und die Möglichkeit, dass Kleidung meine Botschaft über den Schwarzen Körper verstärkt."
Es gibt da ein fantastisches Bild von drei Händen, die sich umeinander kümmern. Die Arme stecken in frisch gestärkten weißen Hemden, und man erkennt, dass eine Person einer anderen die Manschettenknöpfe zuknöpft. Eine Geste voller Fürsorge und aufgeregter Erwartung auf etwas Wichtiges, denn in unserer gemeinsamen Welt hat man für wichtige Dinge weiße Hemden an: Hochzeit, Verleihung der Doktorwürde, Beerdigung. Tief stehendes Sonnenlicht vergoldet die Haut, die Bäume im Hintergrund sind grün, gesund, hoch und uralt. Die Personen, die Mitchell fotografiert, sind in dieser Welt nicht zu Gast.
Die vielfältigen Erfahrungen von "Rasse" und Privilegien stecken im Subtext seiner Bilder, wir tragen sie selbst bei, wenn wir sie ansehen. Aber sie funktionieren vor allem dadurch, dass sie sehr gute Bilder von sehr schönen Menschen sind, die unterschiedlichste Charaktere haben, die alle Facetten von Gesichtsausdrücken und Gesten haben, die stark sind oder schwach. Dass er Skater ist, sagt Mitchell, habe ihn geprägt. Es ist kein Sport, in dem man sich im Wettkampf befindet. Sondern nur in der Gemeinschaft weiterkommt.