Lena Winter, wie bereiten Sie sich auf eine Versteigerung vor?
Akribisch schaue ich mir das Auktionsprotokoll an, den Katalog kann ich fast auswendig. Ich informiere mich darüber, welche Mitarbeiterin welchen Sammler an welchem Telefon haben wird. Ich studiere die schriftlichen Vorab-Gebote.
Vor welchem Fehler haben Sie die meiste Angst?
Dass ich ein Gebot übersehe. Das ist ein Albtraum, weil ich das nicht korrigieren kann. Aber dafür habe ich auch ganz viele tolle Kollegen im Saal, die alle aufpassen.
Vor einem Jahr hatte ein Auktionator 17 mit 70 Millionen Dollar verwechselt. Die Auktion musste abgebrochen werden.
Was für ein Skandal! Das darf nicht, aber kann eben passieren.
Was ist Ihr bester Trick, um das Publikum zum Weiterbieten zu animieren?
Natürlich braucht es Sympathie, aber auch die ganz direkte Ansprache. Kommt immer auch darauf an, um welche Art Auktion es sich handelt. Bei einer Charity-Auktion etwa kann man etwas alberner sein.
Das alles hat wohl auch mit flirten zu tun, oder?
Absolut. Es geht darum, sich gegenseitig ein gutes Gefühl zu geben, zu schmeicheln, sich zu umgarnen und herauszufordern.
Wieviel Prozent Gewinn können wohl gute Auktionatorinnen und Auktionatoren herausholen?
Bestimmt zehn bis 20 Prozent. Es ist schon eine große Verantwortung.
Warum gibt es eigentlich so wenig Frauen in diesem Beruf?
Das ist eine grundsätzliche Frage: Warum sind in Führungspositionen so viele Männer? Es ist Zeit, dass sich das auch in Auktionshäusern ändert, jetzt, wo endlich auch die Preise für Kunst von Frauen anziehen. Es gibt einige große Auktionatorinnen, vor allem in England, aber es ist immer noch ein sehr männerdominierter Beruf. Vielleicht hat es damit zu tun, dass Frauen diese Tätigkeit eine Zeit lang nicht zugetraut wurde. Allerdings auktioniert bei Ketterer schon seit einigen Jahren auch Gudrun Ketterer.
Was machen Auktionatorinnen anders als Auktionatoren?
Gefährlich, darauf zu antworten. Sie sind weicher? Ein bisschen charmanter? Im Sinne von Fürsorge, dass sie länger warten, nach dem Publikum schauen und jedem und jeder das Gefühl geben, willkommen zu sein. Frauen gelingt es damit sehr gut, den Raum in Besitz zu nehmen, auch wenn sie weniger Show machen als Männer, weniger Entertainer sind.
Haben Sie Vorbilder?
Es gibt wenige. Ich bin vergangenes Jahr eigens nach London gereist, um Helena Newman zu sehen, diese wichtige Sotheby’s-Auktionatorin für Impressionismus und Moderne Kunst. Es gibt viele Männer, die sagen: "Ich habe noch nie eine Frau gut auktionieren sehen." Dann schaut euch doch nur mal diese Frau an!
Muss man sich als Auktionatorin also besonders beweisen?
Generell ist das ein Beruf, bei dem man sich beweisen muss und immer besser wird, je routinierter man wird. Wir wurden von einem Schauspiellehrer trainiert, der uns beigebracht hat, souverän zu sprechen und auch Gebote abzulehnen, wenn sie in zu kleinen Schritten kommen. Es geht darum, die Chefinnenrolle anzunehmen und sich darin wohlzufühlen. Wir können die Leute, vor allem die im Saal, auch ziemlich beeinflussen.
Was machen Sie eigentlich, wenn Sie nicht den Hammer schwingen?
Ich kümmere mich darum, Kunst zu akquirieren, die ich verkaufen kann. Das hat mit Vertrauen zu tun. Dann preise ich die Kunst marktgetreu ein und sorge dafür, dass sie im Katalog gut und korrekt präsentiert wird. Wir machen Schönheit zu Geld.
Sie haben vorher bei Grisebach gearbeitet. Wie unterscheidet sich das Berliner vom Münchner Kunstpublikum?
In München erscheint mir alles ein kleines bisschen traditioneller. Aus einer arroganten Berliner Perspektive wurde ich gewarnt, dass München uncool sei. Ein totaler Quatsch! Es gibt hier tolle Galerien, eine tolle Akademie. Es ist übersichtlicher, das schon. In Berlin gibt es so viele unterschiedliche Kunstszenen, hier konzentriert sich das auf eine oder anderthalb.
Wie sieht eine Auktion in Coronazeiten aus?
Es sind einfach viel weniger Leute da, man muss anderthalb, zwei Meter Abstand halten. Ich bin deshalb als Auktionatorin sehr auf die Telefonbieter angewiesen, wodurch es dann auch ein bisschen langsamer werden kann. Es wird wichtig sein, die Internetbieter mit zu bedenken: In muss also oft in die Kamera schauen. Ansonsten laufen in Coronazeiten Auktionen prächtig, weil Kunstmessen wegfallen.