Tipps und Termine

Wohin am Wochenende?

Die Kunst der Woche in Berlin, Düsseldorf, Kassel, Mainz, Mannheim, Quedlinburg und Weimar 

Wir empfehlen weiterhin, sich vor dem analogen Museumsbesuch über mögliche Ticket-, Abstands- und Hygieneregeln zu informieren.


Die Fotoszene der 1980er in Berlin

Fotografie als Kunstrichtung hat sich seine Anerkennung in manchem Museum erst erkämpfen müssen. Noch Ende des vergangenen Jahrhunderts wurde darüber diskutiert, welche Art von Fotos die museale Schwelle überschreiten konnten. Etwa aus dieser Zeit erzählt die neue Ausstellung im Berliner Museum für Fotografie.

Schulz, selbst Fotograf, gründete 1977 in Göttingen das Magazin "Fotografie" als Zeitschrift für internationale Fotokunst. Bis zur Einstellung des Heftes 1985 erschienen 40 Ausgaben, die sich im Lauf der Zeit mit dem Untertitel "Kultur jetzt" auch anderen Kunstbereichen öffnete. Für die Ausstellung haben die Kuratoren alle Titel zusammentragen können, deren Cover nun eindrucksvoll in die 240 gezeigten Arbeiten einführen. Schulz selbst, dessen Fotografien ein Teil der Ausstellung reserviert ist, veröffentlichte seine Arbeiten nur in der ersten Ausgabe.

Mit jedem Heft sollte Schulz neue Positionen entdecken, Fotografen vorstellen, mit Themen anecken. Dazu zählt etwa die "Wurst"-Serie von Matz Reinhard aus 1981, die Aufnahmen von André Gelpke aus dem Nachtleben der späten 1970er-Jahre, die ungefilterten Blicke auf Sex, Drogen, Abgründe von Miron Zownir in Berlin (1980). Daneben stehen Ikonen der dokumentarischen Fotografie, etwa Angela Neukes Aufnahmen der Trauerfeier für den 1977 von der RAF ermordeten Arbeitgeberpräsidenten Hans-Martin Schleyer direkt neben ihren Bildern von der Beerdigung der RAF-Mitglieder Gudrun Ensslin, Andreas Bader und Jan-Carl Raspe aus demselben Jahr. (dpa)

Eine ausführliche Vorstellung von Wolfgang Schulz und seinem künstlerischen Umfeld lesen Sie hier

"Fotografie. Wolfgang Schulz und die Fotoszene um 1980", Berliner Museum für Fotografie, bis 11. Oktober


Architekturrevolution in Berlin

Mit der Ausstellung "Revolutions of Choice" will das Haus am Waldsee das Werk des amerikanisch-deutschen Architekturbüros von Frank Barkow (geboren 1957) und Regine Leibinger (1963) würdigen. Die beiden sind seit Jahrzehnten in Berlin verankert, bauen weltweit und sind der bildenden Kunst verbunden.

Herzstück der Ausstellung ist im Skulpturenpark am See der neu interpretierte Pavillon, den Barkow Leibinger 2016 als "Summer House" für die Serpentine Gallery in London entwickelt haben. Im Haus selbst finden sich hohe Stellagen, die eine Fülle von kommentierten Materialstudien und Modellen zeigen. So können Besucher sich in die Visionen und Experimente, das Gebaute und Ungebaute des Architektur-Teams hineindenken.

"Barkow Leibinger - Revolutions of Choice", Haus am Waldsee, 18. Juli bis 4. Oktober


Durchs Tunnel-Labyrinth in Düsseldorf

Für seine Soloshow im KIT - Kunst im Tunnel in Düsseldorf entwickelt Yann Annicchiarico eine raumgreifende Installation, die mit der Architektur des unterirdischen Ausstellungshauses spielt. "Innen und außen, oben und unten sind nicht mehr klar zu unterscheiden, visuelle und akustische Eindrücke fordern die Sinne", heißt es in den Presseinformationen. Doch genau darum scheint es dem luxemburgischen Künstler zu gehen - wie Besucher den Parcours durch die von ihm kreierten Räume wahrnehmen.

"Yann Annicchiarico: Diener zweier Herren", KIT - Kunst im Tunnel Düsseldorf, 18. Juli bis 8. November


Bewegte Zimmer in Kassel

Im Hugenottenhaus in Kassel findet dieses Jahr die zweite Edition eines interaktiven Ausstellungsprojektes statt, kuratiert vom Künstlerpaar Silvia und Lutz Freyer. Einerseits lassen sich für "Bewegte Zimmer" 15 Künstlerinnen und Künstler von den Räumlichkeiten des ehemaligen Documenta-Standorts, dem altehrwürdigen Hugenottenhaus, inspirieren, auf der anderen Seite werden Atelierräume eingerichtet, in denen Besucher selbst kreativ werden können. Ergänzend finden Künstlergespräche, Vorträge, Filmevents und Konzerte draußen und in der hauseigenen Café-Bar statt.

"In Art We Trust" prangt in großen Lettern, von Lutz Freyer mit Bauschaum geschrieben, an der Hauswand. Das Künstlerpaar betont, dass Kunst ein elementarer Bestandteil unseres Lebens ist. Das soll "Bewegte Zimmer" deutlich machen - eine Einladung zum Entdecken und Ausprobieren.

"Bewegte Zimmer", Hugenottenhaus Kassel, bis 27. September


Ins Leere lauschen in Mainz

Mit der Aufforderung zum Eintritt in die Leere lotet die neue Schau "Enter the Void" der Kunsthalle Mainz schmerzliche Verlusterfahrungen aus. Mit der Corona-Krise habe die Ausstellung nun eine zusätzliche Brisanz erfahren, sagte Kunsthallen-Leiterin Stefanie Böttcher. "Man hat das Gefühl, die Welt würde zusammenschrumpfen, weil überall ein gleiches Lebensgefühl herrscht." In dieser gestiegenen Sensibilität werde eine intensivere Annäherung an die Themen der Ausstellung möglich.

Als Beispiel nennt sie eine Klanginstallation des in Jordanien geborenen Künstlers Lawrence Abu Hamdan: Die Arbeit "Saydnaya" macht deutlich, wie in diesem syrischen Gefängnis absolute Stille zur Folter werden kann. Die Besucher werden mit einem Spektrum von Geräuschen konfrontiert, die immer leiser werden, bis hin zur Abwesenheit von jeglichem Klang - angefangen bei einem landenden Flugzeug über die Arbeit eines Küchenmixers, das Stimmengewirr in einem Restaurant und quakende Frösche, hin zum Geräuschpegel in einer Bibliothek, im Sperrgebiet von Tschernobyl und schließlich Sajdnaja, das 30 Kilometer nördlich von Damaskus gelegene Militärgefängnis. Der künstlerischen Arbeit ging eine Befragung von ehemaligen Häftlingen voraus, an der Hamdan dabei war und aus denen er zitiert.

Eindringliche Filmaufnahmen aus dem Amazonas-Regenwald zeigt die Schweizer Künstlerin Ursula Biemann, die für ihren Video-Essay "Forest Law" zusammen mit dem brasilianischen Architekt Paulo Tavares nach Ecuador gereist ist. Die Arbeit macht die Leere deutlich, die entsteht, wenn der Wald zerstört wird. Gezeigt wird ein Rechtsfall, in dem die Sarayaku, Bewohner einer Ortschaft am Río Bobonaza, verdeutlichen, wie der Wald für sie ein lebendiger ökologischer Kosmos ist, zusammen mit allen anderen in ihm lebenden Geschöpfe.

"Das sind eher düstere, sehr ernste Themen", sagt Stefanie Böttcher. Aber damit werde auch die eindringliche Relevanz von Kunst und Ausstellungsorten deutlich. Diese seien "Orte, an denen man sich frei und unzensiert äußern kann wie fast nirgendwo sonst". (dpa)

"Enter the Void", Kunsthalle Mainz, bis 1. November


Umbruch in Mannheim

Es sollte ein subtiler, aber entschiedener Prozess sein, den Johan Holten als neuer Leiter der Kunsthalle Mannheim anstoßen wollte. Vor seiner Debütaustellung an der neuen Wirkungsstätte sprach er von Visionen, Neuausrichtung, kritischer Selbstreflexion. Der dänische Kurator Holten war seiner Zeit voraus: "Umbruch" heißt die erste Schau des jungen Kunsthallen-Chefs, sie hat durch die Auswirkungen der Corona-Krise einen brandaktuellen Gegenwartsbezug. 

Ausgangspunkt für die Ausstellung war der 2017 fertiggestellte Hector-Bau des Museums. Mit "Umbruch" möchte Holten den inhaltlichen Paradigmenwechsel auf die neu gefundene Form folgen lassen und setzt sich in drei Kapiteln und einer besonderen Ausstellungsarchitektur mit gesellschaftlichen Transformationsprozessen auseinander. "Neue Sachlichkeit ist (auch) weiblich" mit den Künstlerinnen Hanna Nagel, Jeanne Mammen und Anita Rée, "Konventionen auf den Kopf stellen" mit unter anderen Alexandra Pirici und "Junge Bildhauerinnen aus aller Welt" mit Nevin Aladağ, Kaari Upson und Hu Xiaoyuan. Mit wiederentdeckten Malereien der 1920er- und 1930er-Jahre bis hin zu zeitgenössischen Skulpturen und Videoarbeiten setzt Holten Vergangenheit und Zukunft der Mannheimer Kunsthalle ins Verhältnis: Vor 100 Jahren schrieb das Haus mit der Ausstellung "Neue Sachlichkeit" Kunstgeschichte. Holtens Ausstellung lässt dabei mindestens eine Prognose zu: Die Zukunft der Kunst(-halle) ist ziemlich weiblich.

"Umbruch", Kunsthalle Mannheim, bis 18. Oktober


Radierungen und Experimente in Quedlinburg

Mit einer Live-Übertragung bei Facebook wird heute Abend (Freitag, 17. Juli) eine neue Ausstellung in der Quedlinburger Lyonel-Feininger-Galerie eröffnet. Wegen der anhaltenden Corona-Pandemie fiel die Entscheidung für eine Online-Vernissage und eine kleine Eröffnungsveranstaltung in dem Museum für grafische Künste. Die Schau "Strich Code. Verein für Original-Radierung München. Jahresgaben 1999–2019" zeigt sowohl klassische Radierungen als auch experimentelle Mischformen.

Im Mittelpunkt stehen Jahresgaben, die der Verein seit Ende der 1990er-Jahre produziert. Das sind Mappen mit Werken von Künstlerinnen und Künstlern, die von Vereinsmitgliedern zu günstigen Preisen erworben werden können. Jahresgaben sind oft ein Anreiz zum Aufbau einer eigenen Sammlung. Der Verein ist laut Galerie der älteste noch existierende seiner Art - seine Tätigkeit begann im 19. Jahrhundert. (dpa)

"Strich Code. Verein für Original-Radierung München. Jahresgaben 1999-2019", Lyonel-Feiniger-Galerie Quedlinburg, bis 26. Oktober


Malerei und Popart im Schiller-Museum Weimar

Die Klassik Stiftung Weimar zeigt in einer neuen Schau im Schiller-Museum Grafiken, Zeichnungen und andere Werke, die als Schenkungen ihren Weg in die Sammlungen gefunden haben. Schwerpunkt sind 40 Werke, die der Münchner Sammler und Mäzen Wilhelm Winterstein der Stiftung überlassen hat.

Darunter sind etwa Bilder des französischen Malers Eugène Delacroix (1798-1863), des Malers und Goethe-Freundes Johann Heinrich Wilhelm Tischbein (1751-1829), aber auch von Andy Warhol (1928-1987). Der Popart-Künstler nahm Tischbeins berühmtes Gemälde "Goethe in der Campagna" als Inspiration für seine ebenfalls weltbekannten knallbunten Varianten seines "Goethe"-Porträts.

Der 1930 geborene Winterstein unterstützt die Graphischen Sammlungen der Stiftung seit 1997. Bereits der Vater des Bankiers baute eine Sammlung von Zeichnungen und Druckgrafiken aus der Goethe-Zeit auf. Daneben werden in der Schau weitere Werke gezeigt, die Einzelpersonen und Förderkreise der Stiftung geschenkt haben. Dabei sei vor allem eine große Serie von Zeichnungen und Druckgrafiken zur europäischen Antiken-Rezeption vom 16. bis zum 19. Jahrhundert hervorzuheben, hieß es. (dpa)

"Von Delacroix bis Warhol", Schiller-Museum Weimar, 18. Juli bis 11. Oktober