Rassismus in US-Museen

"Durchgehende Ausbeutung und unfaire Behandlung"

Viele Kunstinstitutionen betonen nach außen ihre Solidarität mit der "Black Lives Matter"-Bewegung - tun sich aber schwer, ihre eigenen Strukturen zu hinterfragen. Nun wird auch mehreren großen US-Museen Rassismus vorgeworfen

Als James Earle Fraser im Jahr 1939 eine Reiterbüste von Theodore Roosevelt fertigte und ihr zur Linken und zur Rechten einen amerikanischen Ureinwohner sowie einen Afroamerikaner zur Seite stellte, glaubte der Bildhauer den einstigen US-Präsidenten als Wohltäter und Völkervereiniger darzustellen. Im Zeitalter von "Black Lives Matter" hat sich die Exegese des Werkes, das am New Yorker Central Park vor dem Museum für Naturgeschichte steht, jedoch deutlich gewandelt. Die Tatsache, dass der indigene Amerikaner und der schwarzhäutige Mann zu Fuß unterwegs sind und Roosevelts Waffen für ihn tragen, wird heute als Darstellung ihrer Unterwerfung und nicht ihrer Erhebung gelesen.

Also hat in der vergangenen Woche das Museum, das Roosevelt mit begründet hat, beschlossen, die Reiterstatue entfernen zu lassen. Roosevelt, der sich als Naturschützer und Schöpfer des amerikanischen Nationalparksystems einen Namen gemacht hat, wird von der Geschichte neu bewertet. Es war eine mutige und klare Entscheidung des Museum of Natural History, mit jährlich fünf Millionen Gästen das am Besten besuchte Museum der USA. Andere Kultur-Einrichtungen der USA tun sich derweil noch schwer damit wirklich kritisch mit dem eigenen institutionellen Rassismus ins Gericht zu gehen.

So haben zwar viele Museen auf ihren Webseiten artig ihre Solidarität mit den Protesten bekundet und am Blackout auf ihren Social Media-Konten anlässlich des Juneteenth, des Jahrestages der Sklavenbefreiung, teilgenommen. Vor teilweise harscher Kritik konnte das die Museen jedoch nicht bewahren. In einem offenen Brief an die größten Institutionen New Yorks wie das MoMA, das Metropolitan Museum, das Guggenheim und die Metropolitan Opera verliehen die Angestellten der Einrichtungen ihrer "Entrüstung über die durchgehende Ausbeutung und unfaire Behandlung schwarzer und brauner Menschen" Ausdruck. Man werde, so hieß es weiter in dem Schreiben, "die schamlose Respektlosigkeit und weiße Gewalt gegenüber Schwarzen und Braunen Angestellten, die systematische Unterdrückungstaktiken reflektieren, nicht länger tolerieren."

Wurde die Arbeit einer Kuratorin "ausradiert"?

Auf welche Art von Taktiken der Brief anspielt, wurde in einer Debatte um das Guggenheim-Museum deutlich, die der Brief ebenfalls in der vergangenen Woche auslöste. In einem weiteren offenen Brief, der auf das Schreiben an alle Institutionen aufbaute, beklagten die Kuratoren des Guggenheim in ihrem Museum ein von "Ungleichheit geprägtes Arbeitsumfeld, das Rassismus, weiße Suprematie und andere diskriminatorische Praktiken", befördert. Das Museum brauche dringend tiefgreifende Reformen.

Einer der Auslöser für den Streit am Guggenheim war die Behandlung der schwarzen Gastkuratorin Chaedria La Bouvier. La Bouvier hatte im vergangenen Jahr eine Ausstellung am Guggenheim zu Jean Michel Basquiat organisiert. Im Zentrum der Show stand ein Werk zu einem jungen schwarzen Künstler und Freund Basquiats, der in den 80er-Jahren in New York Opfer von Polizeigewalt wurde.

Im Nachhinein behauptete La Bouvier jedoch, das Museum habe ihre Arbeit "ausradiert". Laut ihrer Angaben habe man sie nicht als alleinige Autorin des Katalogs geführt, sie wurde nicht in Entscheidungen über die Präsentation der Ausstellung einbezogen und nicht zu einer Podiumsdiskussion über das Werk eingeladen. "Meine Zeit beim Guggenheim", resümierte La Bouvier, "war das Rassistischste was ich in meinem bisherigen Berufsleben habe erleben müssen."

Zweideutiger Post am Gedenktag an das Ende der Sklaverei 

Die Kritik der Kuratoren in dem Schreiben an die Museumsleitung bezog sich jedoch nicht alleine auf den Bouvier-Vorfall. Kritisiert wurde auch die Personalpolitik des Museums, an dem unter 276 Angestellten nur 26 Afroamerikaner sind. Die Tatsache, dass La Bouvier im Jahr 2019 als erste schwarze Frau überhaupt eine Ausstellung am Guggenheim organisieren durfte, spreche alleine schon Bände.

Auch das Metropolitan Museum auf der anderen Seite der Fifth Avenue blieb in den vergangenen Wochen nicht von Vorwürfen der weißen Suprematie und eines überholten kolonialen Denkens verschont. Ausgerechnet am 19. Juni, dem Gedenktag an das Ende der Sklaverei, lud der einflussreiche Kurator für europäische Kunst, Keith Christiansen, ein Bild des französischen Archäologen Alexandre Lenoir hoch. Lenoir hatte sich dadurch hervor getan, nationale Monumente vor der Zerstörungswut der französischen Revolution zu retten.

Der Post wurde als Kritik an denen gewertet, die in den vergangenen Wochen in den USA die Monumente der Unterdrückung und der Sklaverei niederreißen. Sowohl Christiansen als auch das Museum entschuldigten sich hastig. Museumsdirektor Max Hollein gelobte, die Bemühungen nicht nur die Sammlung und die Belegschaft sondern auch die Narrative, die das Museum transportiert, so rasch wie möglich zu diversifizieren.

 Die Aufräumarbeiten haben begonnen

Auch in anderen Teilen des Landes hat die Selbstreflexion eingesetzt. Das San Francisco Museum of Modern Art wurde von gegenwärtigen und ehemaligen Angestellten der "rassistischen Zensur" und der systematischen Diskriminierung beschuldigt. Am Museum of Contemporary Art in Cleveland trat die Direktorin zurück, weil sie im vergangenen Jahr eine Ausstellung zum Thema Polizeigewalt abgesagt hatte.

So haben in den amerikanischen Museen auf breiter Front die Aufräumarbeiten begonnen. Inwieweit diese Debatten tatsächlich zu anhaltendem systematischen Wandel führen bleibt freilich erst noch abzuwarten.