Nachdem die Galerien in dieser Woche wieder eröffnet haben, ziehen die ersten Museen nach. In Berlin und Brandenburg ist der Termin schon beschlossene Sache, ab dem 4. Mai dürfen die öffentlichen Häuser wieder aufmachen, wenn sie bestimmte Hygieneregeln befolgen. In den anderen Bundesländern stehen die Entscheidungen noch aus, die gelockerten Bedingungen, die seit dieser Woche im Einzelhandel und vielerorts für Bibliotheken und Archive gelten, und der Beschluss des Berliner Senats stimmen die Museen aber optimistisch.
Der Präsident des Museumsbunds und Leiter des Badischen Landesmuseums, Eckart Köhne, hofft, dass der Betrieb am Dienstag, 5. Mai, wieder beginnen kann. "Wir wären präpariert und freuen uns drauf. Wir sind der Meinung, dass man nicht nur beispielsweise über Autohäuser diskutieren darf, sondern dass es auch darum geht, nicht-kommerzielle und schöne Orte der Öffentlichkeit wieder zugänglich zu machen."
Tatsächlich sind Abstandsregelungen und Besucherbeschränkungen an Museen das geringste Problem. Wachpersonal, dass Menschen und Kunstwerke auf Abstand hält, ist ohnehin präsent, Online-Tickets mit Zeitfenster und ausgeklügelte Wegeführungen sind Maßnahmen, die an vielen Häusern schon erprobt und etabliert sind. So kann das Städel in Frankfurt auf die Erfahrungen und Maßnahmen der letzten Blockbuster-Ausstellung zu Van Gogh zurückgreifen. Aktuell bereitet das Haus eine Besucherführung vor, bei der sich die Wege möglichst wenig kreuzen und setzt an sensiblen Bereichen Plexiglasscheiben zum Schutz der Beschäftigten und der Besucher ein.
"Wie viele Besucher wir tatsächlich ins Haus lassen können, wird aktuell noch diskutiert", sagt Sprecherin Pamela Rohde am Mittwoch, "das hängt etwa auch von behördlichen Empfehlungen oder Vorgaben ab, nach denen wir uns richten werden. Es gilt natürlich das Gebot der Abstandsregel zum Schutz der Gesundheit. Das berücksichtigen wir bei unseren Planungen, wie viele Besucher auf der Fläche sein dürfen."
Kein business as usual
Während sich Kommunikationsabteilungen der Museen in den vergangenen Wochen mit neuen Online-Angeboten überschlagen und dabei viel über die Möglichkeiten, aber auch die Grenzen des Digitalen gelernt haben, wurden in den Schaltzentralen parallel mögliche Szenarien der Wiederöffnung durchgespielt. Doch einfach die Türen kurzfristig wieder aufschließen und da weitermachen, wo man Anfang März zugemacht hat, geht nicht. In Dresden, wo Marion Ackermann die Staatlichen Kunstsammlungen verantwortet, ist an 15 Häusern gleichzeitig die Arbeit von einem Tag auf den anderen eingefroren worden. "Wir können es uns nicht leisten, alle Museen von Null auf Hundert wieder zu eröffnen", sagt Ackermann. "Das liegt auch daran, dass allein die Kosten des Aufsichtspersonals so immens hoch sind, und die Einnahmen sind natürlich nicht so wie vorher. Durch die Schließung haben wir mehr als eine Million Euro pro Monat Verluste gemacht. Alles aufmachen ginge nur, wenn es eine Form der Kompensation gibt."
Während in der Bundesregierung in den ersten Tagen der Krise über Wirtschaftshilfen diskutiert wurde, hat man von einer Förderung der großen Kultureinrichtungen bisher nicht viel gehört, eher im Gegenteil: "Es gibt Kommunen, die darüber nachdenken, Museumsmitarbeiter in Kurzarbeit zu schicken, was die Schließungen der Museen auf Dauer zementieren oder verlängern würde", so Eckart Köhne. "Wir können nur sehr nachdrücklich davor warnen, solche Maßnahmen zu ergreifen, die den Haushalt nicht wirklich entlasten, die aber für die Menschen und die Kultur der Region irreparablen Schaden bringen."
Doch neben finanziellen Fragen bringt die Wiedereröffnung einer öffentlichen Institution mit Bildungsauftrag noch ganz andere Herausforderungen mit sich. "Wir müssen eine aktuelle Ansprache finden, die Wiedereröffnung funktioniert nicht als business as usual", sagt Marion Ackermann. Wir brauchen eine neue Form von Erzählung, die das, was die Menschen aktuell beschäftigt, berührt, und eine Haltung: Weniger ist mehr." An ihren Häusern bedeutet das konkret auch, über neue Öffnungszeiten nachzudenken. "Die Krise eröffnet neue Denkräume. Wir haben schon lange überlegt, ob wir nicht die Öffnungszeiten viel flexibler gestalten können zwischen 8 Uhr morgens und Mitternacht, reagierend auf die sich ausdifferenzierenden Interessen der verschiedenen Teile unseres Publikums. Jetzt hätten wir alle Freiheiten und Möglichkeiten, das Modell zu erproben." So könnten eher ländlich gelegene Häuser zum Beispiel nur am Wochenende aufmachen, wenn die Menschen Zeit haben und Ausflüge machen, andere öffnen vielleicht nur in Teilbereichen oder nur in den Sammlungsbereichen.
Vermittlung wird wichtiger
Eine große Aufgabe der Museen liegt jetzt darin, auch in der Vermittlung auf die neuen Bedürfnisse der Besucher einzugehen. Führungen mit 20 Personen, Touchscreens, Audioguides, die täglich durch mehrere Hände gehen, sind erstmal undenkbar. In Dresden musste sogar das Auslegen von Handzetteln in den Ausstellungsräumen lange diskutiert und aus Hygienesicht abgesegnet werden. "Wir möchten nicht nur technisch öffnen, sondern auch qualitativ", sagt Köhne dazu in Karlsruhe. "Die Museen sind ja sehr kreativ zurzeit und diese Kreativität muss man auch mit in den Coronabetrieb übernehmen, weil der alle vor Herausforderungen stellt. Da müssen Museen und Publikum sich zusammenfinden und gemeinsam durch. Die Stimmung, das Gemeinsame und das Miteinander dürfen bei den Planungen auch nicht fehlen."
In Dresden gehört zu diesen Planungen auch die Besucher, denen ein Museumsbesuch auch trotz bald öffnender Häuser erstmal verwehrt bleibt: "Den Personen, die nicht kommen können, alte Menschen, Menschen in Pflegeheimen, möchten wir Postkarten mit Werken unserer Sammlungen und kleinen Kurztexten nach Hause schicken und sie postalisch erreichen."
Über die Chancen von Corona für eine gesellschaftliche Zukunft wurde schon viel geschrieben – an den Museen, wo die Mühlen der Transformation oft eher langsam mahlen, stimmt die Energie, aus der notgeborenen Flexibilität entstanden ist, sehr hoffnungsvoll. Am 8. Mai findet auf Einladung der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden eine Konferenz mit 52 Museumsdirektorinnen und Direktoren aus der ganzen Welt statt – natürlich digital und begrenzt auf drei Stunden, damit alle zwischen Los Angeles und Singapur dabei sein können. "Wir werden, betrachtet man die derzeitige Lage, wohl die ersten Museen sein, neben Singapur und einigen chinesischen Museen, die überhaupt Erfahrungen mit Wiedereröffnungen haben", sagt Marion Ackermann.
Es ist die Zeit der Experimente und der vorsichtigen Planungen, wer weiß, wann und ob die nächste Welle kommt und alles wieder zurückgefahren wird. Bis dahin ist eine baldige Öffnung der Museen auch ein starkes Signal in der viel diskutierten Systemrelevanz. "Um eine Gesellschaft wieder zurückzuführen in ihren Alltag und den Menschen die Möglichkeit zu geben, ihr Leben zu gestalten, sind Museen und Kultur grundsätzlich höchst relevant. In dem Moment, wo eine schrittweise Zugänglichkeit zu Kunst und Kultur wieder ermöglich wird, führt das zu einer Wiederbelebung des öffentlichen Lebens, und das ist natürlich eine Bereicherung", sagt Pamela Rohde vom Städel. Die Museen sind bereit, und etliche Besucher auch.