Mit der Situation von überfüllten Krankenhäusern in Norditalien vor Augen sollte es jetzt langsam auch den größten Optimisten dämmern: Um die Ausbreitung des Coronavirus in Deutschland zu verlangsamen, müssen jetzt, am Beginn der Epidemie, in Deutschland Großveranstaltungen abgesagt werden. Gesundheitsminister Jens Spahn empfiehlt, dass Events mit mehr als 1000 Teilnehmern vorerst nicht mehr stattfinden. Ein Verbot kann die Bundesregierung allerdings nicht aussprechen, sondern nur die zuständigen Landesbehörden – was die ersten Bundesländer nun auch tun.
In Nordrhein-Westfalen ist mit aktuell rund 700 Infizierten das am stärksten betroffene Bundesland. Gestern ist auf Anraten der Kölner Oberbürgermeisterin Henriette Reker das für diese Woche geplante Literaturfestival Lit.Cologne abgesagt worden.
Die von der Koelnmesse veranstaltete Kunstmesse Art Cologne wird erst Ende April stattfinden. Niemand weiß, wie sich das Virus verbreiten wird, ob es zum Beispiel nicht dann schon ein Medikament geben wird, das Krankheitsverläufe abmildert. Aber es ist davon auszugehen, dass es Ende April höhere Covid-19-Fallzahlen geben wird als jetzt. Es ist daher richtig, dass etwa die Kölner Fitnessmesse Fibo, die eigentlich Anfang April stattfinden sollte, in den Herbst verschoben wird. Auch die Mailänder Designmesse Salone del Mobile und die Kunstmesse Miart sind bereits vom Ende April wegverschoben, ebenso die Architekturbiennale Venedig vom Mai.
Die Koelnmesse setzt auf das Prinzip Hoffnung
Sicher, Deutschland ist bislang viel weniger vom Coronavirus gebeutelt als Italien. Dennoch gehen viele davon aus, dass auch die Art Cologne den Termin vom 23. bis 26. April nicht halten kann. Die Koelnmesse (die nicht die Fibo veranstaltet) allerdings setzt auf das Prinzip Hoffnung: "Wir werden zu jeder einzelnen Koelnmesse-Veranstaltung die Empfehlungen der zuständigen Behörden bezüglich Großveranstaltungen bewerten und wie bisher unsere Entscheidungen nach sorgfältiger Abwägung treffen", heißt es seit Anfang März auf der Website. Man will sich mit Prophylaxemaßnahmen (Information, Desinfektion, Sanitätsstationen) wappnen.
Nun ist nichts verkehrt daran, mit ruhigem Kopf die sich schnell ändernde Lage zu beurteilen. Im Gegensatz zur Lit.Cologne, die spontan auf eine akute Gefährdungslage reagieren musste, kann die Art Cologne immer noch später abgesagt werden - und gefährdet durch das Abwarten nicht die Gesundheit von Gästen, Mitarbeitern und Ausstellern.
Ein Zeichen zur richtigen Zeit
Dennoch brauchen gerade die Letzteren Planungsvorlauf: der Versand und die Versicherung der Kunst, mögliche Produktionen von Werken eigens für die Messe, Stornierungen von Hotels und Reisetickets und mögliche Alternativstrategien für die Woche sollten eher früher als später bedacht werden, um allzu große Kosten zu verhindern.
Zudem würde die Messe ein Zeichen setzen, dass auch sie den Ernst der Lage erkannt hat und daran mitwirken möchte, die Ausbreitungswelle zu verlangsamen und damit vor einer Überforderung des Gesundheitssystems zu schützen. Während hierzulande gerade darüber diskutiert wird, welche Einschränkungen angemessen sind, würde dieses Signal zur richtigen Zeit kommen.