Teilhabe wird momentan in der gesamten Kulturbranche eingefordert. Auch die internationale, nichtstaatliche Museumsorganisation ICOM hat im September in Kyoto über eine entsprechende Neudefinition von Museum abgestimmt, seit Anfang November läuft eine Petition dazu. Viele Häuser verstehen unter Partizipation Besucherbefragungen, dialogische Kunstvermittlung oder digitale Angebote. Mit letzterem Ansatz versuchen viele Kultureinrichtungen ein weiteres Problem zu lösen: die junge Zielgruppe anzusprechen. Während für die sogenannten "Silversurfer" und Kinder ausreichend Konzepte und Programme bestehen, weisen Vermittlungsangebote für Jugendliche meist eine auffällige Lücke auf.
Auch das Düsseldorfer Ausstellungshaus "KIT - Kunst im Tunnel" kennt dieses Problem. Die Lösung: ein Jugendkunstprojekt namens "Was mit Kunst!?" Damit wählte das Ausstellungshaus die wahrscheinlich offenste Form der Partizipation. Denn das KIT bot in Kooperation mit der Filmwerkstatt Düsseldorf und dem Tanzhaus NRW Jugendlichen die Möglichkeit, unter professioneller Anleitung eigene Kunstwerke anzufertigen und eine Ausstellung für den 19. und 20. Oktober zu konzipieren.
Dass das Vorhaben von Beginn an mit einem hohen Aufwand verbunden war, war den Leitern Jana-Catharina Israel und Nils Kemmerling von der Jungen Filmwerkstatt NRW bewusst. Sie akquirierten Gelder, engagierten Gruppenleiter und stellten die Idee zu Jahresbeginn in verschiedenen Schulen der Umgebung vor. Rund 50 Jugendliche meldeten sich und teilten sich auf die Gruppen Malerei, Performance, Fotografie, Video, Bildhauerei, Buchkunst und Presse- sowie Kunstvermittlung auf. Die 14- bis 25-Jährigen besuchten gemeinsam Ausstellungen, Buchmessen, Werkstätte und Tanzstücke. In einer "Intensivwoche" in den Herbstferien arbeiteten die meisten Teams im Ausstellungshaus. Ich war zusammen mit Judith Eilers für die Gruppe Presse- und Kunstvermittlung zuständig.
"Fridays for Future" zeigt Einfluss
In Gesprächen mit den jungen Erwachsenen wurde von Beginn an deutlich, dass die Zugänge zu Kunst und den Kunstinstitutionen sehr unterschiedlich waren: Manche übten die Kunst schon seit längerem aus und hatten bereits Künstlernamen, andere trauten sich nicht, ihren Freunden von der Projektteilnahme zu erzählen. Die würden das nicht nachvollziehen können, fänden es uncool. Wenige der Nachwuchskünstler nahmen seit ihrer Kindheit an Ferienprogrammen von Museen teil, viele hatten zuvor noch nie eine Ausstellung besucht. Von den beteiligten Institutionen sprachen die Jugendlichen plötzlich mit großer Begeisterung, waren dankbar für die Chance.
Der kreative Prozess wurde regelmäßig mit der jeweiligen Gruppenleitung besprochen, was zu lebendigen Diskussionen führte und einen Austausch ermöglichte. Die Botschaften der Kunstwerke waren teilweise tiefgreifend und philosophisch, es ging um Hypersensibilität, Gaming und japanische Comics. Doch es ließen sich auch übergreifende Themen erkennen: Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer arbeiteten Klimawandel, Konsum und Gesellschaft in Malerei, großformatigen Skulpturen aus Müll und Fotografien von der Königsallee auf. "Fridays for Future" zeigte offensichtlich seinen Einfluss.
Doch die Jugendlichen erhielten nicht nur professionelles Feedback zu ihren Kunstwerken, sondern sie kümmerten sich in Absprache mit den Verantwortlichen um den Aufbau von Ausstellungswänden, Technik, Kuration und Hängung. Die Gruppe Presse- und Vermittlungsarbeit fertigte Plakate und Flyer an, schrieb Newsletter und Pressetext, organisierte eine Pressekonferenz und Rundgänge mit Besuchern. "Ich war erstaunt, was alles so gemacht werden muss, um Kunst auszustellen", sagt eine Teilnehmerin. "Ich dachte immer, der Künstler macht ein Werk und dann kommen die Leute. Aber da passiert viel mehr im Hintergrund." Damit scheint das Ziel des Projekts, dem Nachwuchs Einblicke hinter die Kulissen des Kunstbetriebes zu gewähren, erfüllt.
Chancen und Risiken
Dennoch war die Betreuung zeitaufwendig. Im Gegensatz zu professionellen Ausstellungen, wurde von allen Verantwortlichen verlangt, die Wünsche von über 40 unerfahrenen Individuen zu erfüllen. Lange Kommunikationswege und Kompromisse charakterisierten das Pilotprojekt. Getrud Peters bestätigt, dass die Umsetzung mit viel Zeit, Kosten, Technik und Rücksprachen verbunden war. Von den jungen Erwachsenen konnte einiges nicht vorausgesetzt werden, wie die Anfertigung von Katalogtexten, die Kommunikation via Email oder der Umgang mit bestimmten Geräten. Einerseits standen ausgereifte Persönlichkeiten vor einem, andererseits waren Erziehungsmaßnahmen angebracht, wenn sich nicht an Termine und Absprachen gehalten wurde. Die Gruppenleiter mussten einen Mittelweg an didaktischem und freundschaftlichem Umgang finden. Ebenso musste zwischen der Versuchung und Notwendigkeit, manchmal in Prozesse einzugreifen, abgewägt werden. Auch wenn die Vorschläge der jungen Menschen an manchen Stellen utopisch erschienen, sollte die Erfahrung der Kunstaktiven die innovative Arbeit nicht stören – nur so konnten alle voneinander lernen.
Für Kunstinstitutionen empfiehlt es sich bei solchen Partizipationskonzepten, gewisse Bereiche zeitweise aus der Hand zu geben. "Was mit Kunst!?" hatte zum Beispiel einen eigenen Instagram-Account, der kreativer gestaltet wurde als üblich. Die Leiterin der Kunstvermittlung denkt zudem darüber nach, eine installierte Feedback-Wand auch für zukünftige Ausstellungen anzubringen. Darüber hinaus arbeiteten mehrere lokale Institutionen durch das Jugendkunstprojekt zusammen. Die Schüler waren zeitweise in der Universitäts- und Landesbibliothek Düsseldorf, in der Kunstakademie, im Tanzhaus NRW und der Filmwerkstatt Düsseldorf tätig. Das Projekt bot also einen neuen Anlass zur Kooperation und Vernetzung in der Kunstszene.
Ein gelungenes Beispiel für Teilhabe?
Während sich in den Herbstferien bis Freitagnachmittag noch das kreative Chaos auf dem absteigenden Boden der Halle breit machte, war die Ausstellung am Samstag und Sonntag kaum von einer professionellen zu unterscheiden. Das Ausstellungswochenende war mit über 400 Personen gut besucht und eine angenehm-frische, fast familiäre Atmosphäre zu spüren. Die Überzahl junger Menschen war ungewöhnlich. Ob durch "Was mit Kunst!?" auch zukünftig mehr Jugendliche in den Düsseldorfer Tunnel kommen, lässt sich schwer nachweisen.
Ebenso ungewiss ist zum derzeitigen Zeitpunkt, ob das Pilotprojekt wiederholt wird. Die Beteiligten, allen voran die Heranwachsenden, waren begeistert und kämpfen für eine Fortführung.
So hoch der Aufwand auch sein mag, rechtfertigt er vor allem eine längere Ausstellungsdauer als zwei Tage. Denn das Ergebnis lässt sich sehen und das Jugendkunstprojekt beweist, dass die derartige Partizipationsform für alle Beteiligten Chancen birgt. Es wäre zu begrüßen, wenn weitere Kulturinstitutionen den Mut aufbringen würden, Bürgern unterschiedlichen Alters die Teilnahme am Kulturbetrieb zu ermöglichen. Denn ohne die Hoheit der Wissenschaft angreifen zu wollen, sein Publikum kennenzulernen und ein Austausch darüber, was Kultur eigentlich heute für die Menschen bedeutet, schadet nie. Schließlich soll Kultur für alle da sein und so auch möglichst alle erreichen. Vielleicht schadet es daher nicht, wenn ICOM tatsächlich die Aufgaben des Museums neu definiert.