"Ich bin jetzt in der Lage, zu dem Thema etwas Relevantes beizutragen." Norbert Bisky spricht von DDR und Mauerfall. Damit hat er sich schon mal in den 90ern auseinandergesetzt. Inzwischen zählt Bisky zu den wichtigsten zeitgenössischen Künstlern des Landes. Der 49-Jährige sitzt in seinem Berliner Atelier. Um ihn herum neue Bilder, halbfertige Arbeiten, Fragmente für zwei Bisky-Ausstellungen, die sich mit deutsch-deutscher Geschichte befassen werden. 30 Jahre nach Öffnung der Mauer. "Jetzt ist der richtige Zeitpunkt", sagt Bisky, "so unperfekt und unabgeschlossen wie das ist." Nun hoffe er, dass er durch seine neuen Arbeiten ein paar Sachen nochmal besser loswerde, mit denen er groß geworden sei.
Bei Bisky ist schon die Familie deutsche Geschichte. Sein Vater war der langjährige PDS-Vorsitzende Lothar Bisky (1941-2013), sein Bruder ist der Journalist und Schriftsteller Jens Bisky. "Familie ist ja der Ausgangspunkt von allem und das Zentrum, in dem wir leben und wo die Konflikte ausgetragen werden", analysiert der Maler. Er könne nicht sagen, dass er mit Familie fertig sei. "Das ist ja Quatsch, so funktioniere ich nicht." Auch die Bilder funktionierten so nicht, weil sie immer verschiedene Assoziationen wachriefen. "Das ist ja gerade eine Stärke von Bildern, dass sie im günstigen Fall mehrere Ebenen haben und gerade nicht so eins zu eins lesbar sind."
Ein neuer Blick auf Vergangenheit und Gegenwart
Bisky stammt aus Leipzig, wuchs in Berlin auf. Beim Mauerfall war er 19. "Andere Leute haben dafür gesorgt, dass dieses dumme System in sich zusammenfällt." Sehr mutige Menschen hätten gesagt‚ uns reicht es jetzt, hätten protestiert auf den Straßen, seien über Ungarn abgehauen. "Das habe ich nicht, ich war zu jung und doof und habe nur ein bisschen was mitbekommen am Prenzlauer Berg an der Gethsemanekirche."
Nach der Wende dauert es ein paar Jahre bis zum Entschluss, Künstler zu werden. "Ich musste mich auch trauen." Er habe dann bei Georg Baselitz studiert. "Die DDR war gerade so sieben, acht Jahre tot." Einige Zeit befasst er sich damit in seinen Bildern. "Irgendwann war ich fertig damit und habe mich sehr viele Jahre mit ganz anderen Themen beschäftigt."
Und nun ein neuer Blick? "Das ist so ein winziger Ausschnitt von Reflexion zur Gegenwart, im Grunde mein Blick auf die Zeit in der wir jetzt leben. Wie sieht die eigentlich aus? Das ist natürlich genauso vermessen wie jetzt zu sagen: Ich mache eine Ausstellung zur DDR oder so." Das gehe überhaupt nicht. "Das alles ist viel zu krass, viel zu groß, viel zu komplex." Vielleicht werden es auch deswegen gleich zwei Ausstellungen mit 70 bis 80 Arbeiten. "Rant" wird in der Potsdamer Villa Schöningen gezeigt (9.11.-23.2.), "Pompa" ist in der Matthäus-Kirche Berlin zu sehen (10.11.–16.2.).
Kunst und Religion
In dem Kirchenbau zwischen Neuer Nationalgalerie und Philharmonie werden die Bilder zunächst gar nicht ins Auge fallen. Nur an der Wand um den Altar wird ein kleines Gemälde zu erkennen sein. Bisky will seine Arbeiten unter die Kirchendecke hängen. "Ich kam gerade aus Venedig und deswegen war das Ding mit den Deckengemälden schon in meinem Kopf", erinnert er sich an die Entwicklung der Ausstellung. "Ich beschäftige mich natürlich immer mit Präsentationsformen von Malerei und das Deckending ist so ein bisschen aus der Mode gekommen."
Seine Bezüge zu Religion und Kirche sind ambivalent. "Ich bin nicht getauft, ich stamme von Kommunisten ab und die fanden das irgendwie nicht wichtig." Sich selbst bezeichnet er als einen sehr religiösen Menschen. "Aber ich habe keine Konfession, in die das reinpasst." Deswegen müsse er sich eine ausdenken. "Ich glaube sicher, dass die Art, wie wir mit Kunst umgehen, sehr viel mit der Wahrnehmung von Religion und dem Umgang damit zu tun hat." Er versuche, zwischen allen Stühlen zu sitzen. "Da ist mein Platz."
Ein langer Selbstfindungsprozess
In Deutschland ist aus Biskys Sicht eine Situation entstanden mit sehr vergleichbaren Themen wie vor 20 oder 25 Jahren: "Der Ossi, das unbekannte Wesen. Was ist denn da los? Warum wählen die denn das Falsche?" Zudem gebe es großes Interesse am Datum 30 Jahre Mauerfall. "Natürlich habe ich meine Assoziationen dazu. Mich lässt ja der Scheiß auch nicht los." Nun schaue er auf seine DDR-Erfahrung, "verbinde das mit Bildern, die ich vor 15, 20 Jahren gemalt habe zum gleichen Thema". Das packe er dann zusammen. "Das ist ein sehr anstrengender, schmerzhafter Prozess."
Sein Blick auf die Lage im vereinten Land? "Ich finde es toll, dass hier kiffende Hippies und Hipster am Boxhagener Platz sitzen und vielleicht mal hinters Gebüsch gehen und vögeln." Er hoffe, dass dieser Freigeist bleibt. "Natürlich ist es auch etwas Schönes, dass das Land sich sozusagen selber ein bisschen findet gerade." Das sei ein offener Prozess. "Ich bin Bestandteil davon, gehöre einfach dazu und zwar schon seit 30 Jahren." So wie die anderen auch, sagt Bisky. "Und ich weiß, wo ich herkomme."