Wie in der Spielwarenabteilung oder Konditorei eingeschlossene Kinder kann man sich vielleicht den Regisseur Wes Anderson und seine Frau Juman Malouf in den Archiven des Kunsthistorischen Museums in Wien vorstellen. In die Hände klatschend vor Entzücken über all die wunderschönen, sonst unerreichbaren Dinge, die man hervorholen und mitnehmen darf.
Das Konzept entwickelte die Wiener Institution vor ein paar Jahren: die unfassbar großen Sammlungsbestände durch neue Augen sehen zu lassen und zu einer Ausstellung machen, die gänzlich subjektiv ist und von allen wissenschaftlichen Ansprüchen befreit. In Wes Andersons Fall heißt das, wie in seinen Filmen auch: Ästhetik geht über alles, danach kommen Skurrilität und ein milder Sarkasmus, der auf menschenfreundlicher Oberflächlichkeit basiert.
Genau so funktioniert diese wunderschöne Ausstellung, in der alles gleichwertig nebeneinander zu sehen ist: verpatzte Herrscherporträts neben römischen Kameen, eine Inuit-Puppe, Hutschachteln, Arcimboldos, ausgestopfte oder geschnitzte Tiere, Tizian und Cranach, das Auge aus einem Sarkopharg von vor mehr als 2000 Jahren.
"Einige der Verbindungen sind offensichtlicher als andere"
Allein die Wand mit den Kinder-Bildnissen ist eine kleine Ausstellung für sich. Kinder, das sieht man über die Jahrhunderte, wurden sehr lange für unfertige Erwachsene gehalten.
"Einige der Verbindungen sind offensichtlicher als andere", sagt Wes Anderson. "Wir positionieren die Smaragde des 17. Jahrhunderts gegenüber dem hellgrünen Kostüm einer 1978er Produktion von Hedda Gabler, um auf die molekularen Ähnlichkeiten zwischen hexagonalem Kristall und Shantung-Seide aufmerksam zu machen. Wir platzieren das Gemälde eines siebenjährigen Falkners (Kaiser Karl V.) neben dem Porträt eines vierjährigen Hundebesitzers (Kaiser Ferdinand II.)"
Die Kuratoren der beteiligten Institutionen mochten ihren manchmal aus kunsthistorischer Sicht trivialen Links nicht immer folgen, doch was will man machen gegen die Carte Blanche eines Hollywood-Regisseurs? "Wir hoffen, der Kunstgeschichte neue Impulse auch für kommende Generationen zu geben, und sei es im Trial-and-Error-Verfahren", sagt Wes Anderson beherzt.
Ist der Kurator des Kunsthistorischen Museums, Jasper Sharp, einverstanden, wenn man die Ausstellung mit einer Wunderkammer vergleicht? "Ja, sehr. Das Kunsthistorische hatte auch mal eine Wunderkammer, dann wurde es zur Kunstkammer." Unter Wes Andersons Selektionsverfahren ist die Sammlung zu einer Art Requisite geworden, die Ausstattung eines noch ungedrehten Epos über all die erstaunlichen Dinge, die Menschen seit Jahrtausenden machen. Viele Objekte würden, wären sie nicht von Malouf und Anderson entdeckt worden, überhaupt nicht ausgestellt. Zum Beispiel eine Violine aus viertausend Einzelteilen, musikhistorisch offenbar total uninteressant, als manische Handwerkskuriosität aber bemerkenswert.
Konditorei aus Kinderträumen
Die Fondazione Prada ist für makellose Ausstellungen bekannt, und die frei im Raum stehenden wandhohen Vitrinen sind perfekte Architektur für die Exponate, die starken formalen Zusammenhalt benötigen.
Im Zentrum des Ganzen liegt eine mumifizierte Spitzmaus versteckt in einem kleinen Sarkopharg – ein absurdes, rührendes Geschöpf aus dem 4. Jahrhundert v. Chr., das den beiden Gastkuratoren den Anstoß für die Schau gab. In Wien hatten sie gehofft, die Süßwaren-Spezialisten von Demel hätten eigens ein Spitzmaus-Gebäck für sie kreiert. In Mailand gibt es die von Wes Anderson ausgestattete Bar "Luce" auf dem Gelände der Fondazione, in Eiscremefarben, mit einer Duke-Box und Flipperautomaten, und die kommt der Konditorei aus Kinderträumen schon ziemlich nah.