Frau Cruse, die Art Berlin hat letztes Jahr den Standort gewechselt, wie sind Ihre Erfahrungen im ehemaligen Flughafen?
Tempelhof ist natürlich ein spektakuläres Gebäude, das sich für die Präsentation für Kunst gut eignet. Da seit vielen Jahren dort nur wenige Publikumsveranstaltungen stattgefunden haben, war es toll, die Gebäude für die Bevölkerung mal wieder zu öffnen. Gleichzeitig ist es schwierig zu bespielen, man muss erfinderisch sein. Bei den 20 Meter hohen Decken braucht man ein spezielles Beleuchtungskonzept, es gibt Tauben in den Hangars, die Böden sind nicht einfach und Luft zieht durch die großen Türen.
Was sagt die Teilnehmerliste aus?
Wir freuen uns, dass es viele Rückkehrer unter den wichtigen größeren Galerien gibt: Capitain Petzel, Esther Schipper, Galerie Neu, König und Sprüth Magers. Außerdem gibt es einige Galerien die neu oder wieder dabei sind, wie Chert Lüdde, Sorry We’re Closed, Steve Turner, Nosbaum Reding, Croy Nielsen, Piktogram und Athr.
Was sind Ihre Highlights?
Ich freue mich besonders auf den Salon-Bereich, dort werden zahlreiche ganze junge Künstlerinnen und Künstler präsentiert, deren Arbeiten ich dort teils auch das erste Mal entdecken kann. Und ich bin sehr gespannt auf die Präsentationen aus der Sammlung unseres neuen Partners, der Landesbank Baden-Württemberg, darunter eine neu angekaufte Arbeit von Daniel Knorr, die 58 Fahnen der in Berlin ansässigen Burschenschaften zeigt. Sie wurde zuletzt vor zehn Jahren bei der Berlin Biennale am Dach der Neuen Nationalgalerie präsentiert, jetzt wird sie im Außenbereich zu sehen sein – am historisch aufgeladenen Flughafen Tempelhof hat die Fahneninstallation eine starke Wirkung.
Die Art Berlin ist ein wichtiges Zugpferd für den Berliner Kunstmarkt, sie bekommt aber vom Senat keine direkte Unterstützung. Ist das für Ihre teilweise international erfahrenen Messeteilnehmer nachvollziehbar?
Die Art Berlin und das Gallery Weekend sind die beiden größten Kunstveranstaltungen Berlins. Dass die Stadt so wenig Interesse daran zeigt, ist für unsere teilnehmenden Galerien und auch für den Partner Koelnmesse erstaunlich zu sehen. An anderen wichtigen Kunst-Standorten wie Köln, Madrid, Wien oder Paris ist das ganz anders, da gibt es von offizieller Seite Begeisterung und Identifikation. Seit die Koelnmesse als Partner bei der Art Berlin eingestiegen ist, können wir hier aber trotzdem nachhaltig und langfristig denken. Das macht sich im dritten Jahr der Zusammenarbeit bemerkbar.
Welche Veränderungen am Kunstmarkt haben Sie festgestellt, seit Sie die Messe leiten?
Noch vor zehn Jahren standen die Zeichen mehr auf Neugier und Experiment, die Sammler waren wagemutiger und haben sich nicht so stark auf abgesicherte Positionen zurückgezogen. Das macht es für junge Galerien schwieriger, die durch Stand- und Produktionskosten auf Messen ohnehin unter größerem finanziellen Druck stehen als große Galerien mit großen Umsätzen. Wir wissen, dass dieses junge Segment besonders wichtig ist, da hier Künstler aufgebaut und sichtbar gemacht werden. Jede schließende Galerie ist ein Verlust. Dieser Entwicklung muss man dringend entgegenwirken. Der Stadt Berlin, die ja von unseren Unternehmungen wirtschaftlich und imagemäßig stark profitiert, rate ich seit Jahren, einige Prozent der Gewinne, die sie durch uns machen, in den Aufbau und Erhalt junger Galerien rückzuführen.
Wie gehen Sie selbst als Messe auf diese Veränderungen ein?
Wir zeigen in unserem Salon-Bereich neue Plattformen, da wir beobachtet haben, dass junge Projekte nicht unbedingt den klassischen Weg einer Galerie nehmen. Sie verzichten auf eigene Räume oder eine feste Künstlerliste, aber geben mit ihren Ausstellungen gute neue Impulse und verkaufen auch. Wir stellen O-Town House aus Los Angeles vor, Performance Agency aus Berlin oder Sundogs aus Paris, sie bekommen kleinere Flächen zu Sonderkonditionen. Außerdem gibt es die „Special Projects“, günstige Stände für meist jüngere Galerien. Wir überlegen Formate, um junge Sammler an die Kunst und die Galerien heranzuführen. Seit Neuestem arbeiten wir zusammen mit dem Bundesverband unabhängiger Kunstberater, deren Expertisen Sammler bei ihren Anfängen oder im Aufbau der Sammlung unterstützen können.
Sie leiten auch das Gallery Weekend. Dieses Jahr gab es Beschwerden, dass die Auswahl der Künstler zu weiß und zu männlich gewesen sei, hat das Folgen?
Die Kritik einer anonymen Gruppe über Facebook prangerte weniger generelle strukturelle Missstände, sondern die Leitung und die Galeristen des Gallery Weekend an. Es ist schwierig, auf dieser Ebene zu diskutieren oder Dinge richtigzustellen. Das Gallery Weekend wird nicht kuratiert oder zentral gesteuert, somit ist die Künstlerliste ein Zufallsprodukt. Sie repräsentiert, was gerade los ist in der Kunstwelt, und zeigt, was wir alle wissen: dass Frauen immer noch unterrepräsentiert sind. Sie zeigte aber auch, dass es besser wird, denn die jungen aufstrebenden Positionen waren beim letzten Gallery Weekend Künstlerinnen. Die Presse hat vor allem über diese starken Positionen berichtet, auch kommerziell waren diese jungen Künstlerinnen besonders erfolgreich. Andere, kurz nach uns stattfindende, viel größere Kunstveranstaltungen wurden nicht angegriffen, obwohl deren Quoten viel dramatischer waren. Das Gallery Weekend schneidet im Vergleich nicht so schlecht ab, und das Bewusstsein ist da, es noch besser zu machen.
Welches Feedback bekommen Sie von den Galerien, die aus dem Ausland kommen? Was ist deren "Berlin experience"?
In Berlin treffen sie wichtige Kuratoren an, die internationale Kunstszene ist hier, und es kommen immer mehr Sammler in der Stadt, viele verlegen ihren Wohnsitz hierher. Es gibt Begegnungen mit anderen Galeristen und natürlich mit Künstlern, die man vielleicht wirklich nur hier haben kann. Ob auf der Messe oder im Nightlife.