In Deutschland verlieben sich Museumsbesucher gerade reihenweise in die Porträts von Lotte Laserstein. Die Künstlerin, die vor den Nazis nach Schweden floh, fand eine neue Heimat in Kalmar und einen guten Freund im Kunstsammler Peter Fors. Eine Begegnung
Lotte Laserstein verbrachte mehr als die Hälfte ihres Lebens in Schweden. Durch eine Ausstellung in der Stockholmer Galerie Modern ergab sich 1937 für sie die Möglichkeit, vor Ausbruch des Zweiten Weltkrieges aus Berlin nach Stockholm zu ziehen und dort ein neues Zuhause im Exil zu finden. In Deutschland wurde sie wegen ihrer jüdischen Herkunft zunehmend aus dem Kulturbetrieb verdrängt. Doch fielen ihr vor allem die ersten Jahre im hohen Norden nicht leicht: Die talentierte Porträtmalerin musste sich mit Auftragsarbeiten über Wasser halten, denn die brachten Geld ein. Ihr kreativer Prozess, der während ihrer Zeit im Berlin der Weimarer Republik blühte, wurde stark eingeschränkt. Im Gespräch mit einem langjährigen Freund Lotte Lasersteins, dem schwedischen Kunstsammler Peter Fors, zeichnet sich jedoch auch ein positives Bild ihrer Zeit im Exil ab.
Ihr Weg in Schweden führte sie von Stockholm nach Kalmar und zu ihrer Sommerresidenz auf der Insel Öland. Als Peter Fors 1983 auf Lotte Laserstein traf, war er selbst 26. Zwischen den beiden lagen 59 Jahre. Es war Weihnachten und er besuchte einen Freund in seiner Heimat Kalmar in Schweden, der bei einer Ausstellung, die dort kurz zuvor stattgefunden hatte, eine Malerei der emigrierten Künstlerin erworben hat. Peter Fors war sofort hingerissen: "Es hat mich umgehauen!". Fortan arbeitete er jeden Sonntag in einem Golfclub und versuchte mit dem so verdienten Geld Arbeiten Lotte Lasersteins zu kaufen. Er begann mit kleineren Zeichnungen. Als er sieben Werke zusammenhatte, lud ihn "Lotte" zum Essen ein. Der Beginn einer lebenslangen Freundschaft.
"Travel, as long as you can stand on your legs"
Humorvoll, stark und stolz sei sie gewesen. Der 62-jährige Kunstsammler Peter Fors berichtet mit Begeisterung von seiner guten Freundin Lotte Laserstein. Gerne in Pelz bekleidet war sie, weil sie leicht fröstelte. Eine Dame, die bis ins hohe Alter täglich malte, denn jeder Tag ohne Kunst sei ein verlorener Tag. Lotte Laserstein hatte dem jungen Kunstsammler viel aus ihrem Leben und einige Weisheiten zu erzählen. 1937 kam sie 39-jährig mit umgerechnet 3,50 Euro nach Schweden. Mehr durfte sie als Jüdin bei ihrer Ausreise aus Deutschland nicht bei sich tragen. Ihre Kunst hatte sie in Berlin zurücklassen müssen, genauso wie ihre Mutter und ihre Schwester Käte. Noch vor Ausbruch des Krieges besuchte ihre Mutter sie in Schweden, doch kehrte sie zurück zu ihrer anderen Tochter nach Berlin. Käte Laserstein konnte sich während des Krieges vor den Nationalsozialisten verstecken, die Mutter wurde deportiert und in einem Konzentrationslager ermordet.
Auch deshalb wollte Lotte Laserstein nach dem Krieg nicht mehr zurück nach Deutschland, in das Land, das ihre Mutter ermordete und sie, die konfirmierte Protestantin, zu einer Jüdin gemacht hatte. Ebenso hätte sie ihre künstlerische Arbeit, die von einem realistisch-sachlichem Stil lebt, wohlmöglich nicht weiter bestreiten können, da die abstrakt-expressionistische Malerei beliebter wurde: "Sie war eher old-school unterwegs und kannte noch jeden Knochen im menschlichen Körper. Zuhause hatte sie auch viele Anatomie-Bücher stehen."
Nach und nach erhielt sie Lieferungen aus Deutschland mit ihren Arbeiten. Dazu zählten auch Schlüsselwerke wie "Abend über Potsdam" und zahlreiche Bücher, denn sie war ein großer Goethe-Fan. In den 80ern kam eher zufällig eine britische Kuratorin in ihre Wohnung in Kalmar, in der über 250 ihrer Bilder lagerten, und war von ihren Werken begeistert. Daraufhin folgte die erste Ausstellung in London. In Kalmar und Umgebung war die Künstlerin bekannt, darüber hinaus geriet sie in Vergessenheit. Anna-Carola Krausse hatte Lotte Laserstein in den 80ern wiederentdeckt und ihre Dissertation zu ihr geschrieben. Sie kuratierte auch eine Ausstellung über die emigrierte Künstlerin im Verborgenen Museum in Berlin.
Faszination durch Details
Was Peter Fors am meisten an Lotte Lasersteins Bildern faszinierte? "Die Hände! Wenn Sie sich den liegenden Akt ansehen, wie die Hände langsam herunterfallen, das ist wunderschön. Und die Farben! Ich liebe die Farben. Diese Brauntöne… und wenn Sie sich den Motorradfahrer ansehen, da können Sie regelrecht das Leder spüren. Zwar ist alles ist braun, aber es ist so divers."
Lotte Laserstein hat es nicht vermisst keine Kinder, sondern keinen Führerschein zu haben. Also fuhr Peter Fors sie öfters nach Öland, wo "Lotte" früher gerne Partys geschmissen hat und wohin sie ihre Freunde einlud. Auch ihre enge Freundin und Muse Traute Rose kam sie dort besuchen. Eine schwedische Zeitung habe zudem berichtetet, dass Lotte Laserstein als erste einen Pool auf der Insel Öland gehabt habe, den anderen Pool hätte Ingmar Bergman neben seinem Ferienhaus auf Gotland gebaut. Bis zu diesem Zustand der scheinbaren Midsommar-Glückseligkeit war es allerdings ein langer Weg. Doch Laserstein war stark und konnte sich aus eigener Kraft ein neues Leben im Exil aufbauen.
Und ganz so melancholisch, wie ihre Porträts vermuten lassen, war die Person Lotte Laserstein nicht. Peter Fors beschreibt sie als "lustig" und humorvoll. Sie lachte zwar nie auf ihren eher nüchternen Selbstbildnissen oder auf Fotos, doch das habe vorrangig daran gelegen, dass sie ihre eigenen Zähne nicht gern mochte. Menschlich und nahbar wird Lotte Laserstein durch die Erzählungen. Sie war eine, um es mit den Worten der Kuratorin Annelie Lütgens zu sagen, "Grand Old Lady der Malerei."
Den Nachlass der 1993 verstorbenen Künstlerin, der längere Zeit im Besitz Peter Fors’ war, wird seit 2009 von den Künstlerarchiven der Berlinische Galerie verwaltet. Die Briefe zwischen Lotte Laserstein und Traute Rose verwaltet Anna-Carola Krausse.