Neo Rauch als Karikaturist

Verkackt

Der Maler Neo Rauch hat sich in einer Karikatur versucht: Das Bild "Der Anbräuner" soll eine Replik auf einen Text des Kritikers Wolfgang Ullrich darstellen – und ist an Plattheit kaum zu überbieten

Dass Neo Rauch auf Kritik an seiner Kunst empfindlich reagiert, ist nichts Neues. Er tut das seit 20 Jahren in Form von Bildern, in denen er seinen Gewaltfantasien gegenüber Kommentatoren freien Lauf lässt. 1998 malte der Leipziger Maler das Bild "Unerträglicher Naturalismus", dessen Titel Kritik an seiner figurativen Ästhetik zu paraphrasieren scheint. Zu sehen ist ein Schütze, der gerade sein Gewehr nachlädt, mit dem er eine Zielscheibe mit menschlichen Umrissen bereits massiv durchlöchert hat. Natürlich ist das Werk nicht zwingend als Racheakt eines Künstlers an einem Kritiker zu lesen.

Mit dem Gemälde "Wie gehen Sie mit Kritik um?" (2005) artikuliert sich Rauch schon unmissverständlicher, wenn er in einer Scheunen-Szenerie mit zwei schläfrigen preußischen Soldaten eine Art Voodoo-Puppe von einem Balken herabhängen lässt: offenbar ein Kritiker, dem die Haut abgezogen wurde und in dessen geschundenen Körper auch noch Nägel getrieben wurden. Der Kot, der jetzt in Rauchs gemalter Replik auf Wolfgang Ullrichs "Zeit"-Essays "Auf dunkler Scholle" zum bestimmenden Motiv des Bildes "Der Anbräuner" wurde, ist hier noch ein Detail unter anderen.

Eine Reihe weiterer antikritischer Rauch-Werke wäre zu nennen. Sie zeigen eine zunehmende Verschärfung des Tonfalls – bei abnehmender künstlerischer Qualität.

Der Kritiker als Möchtegern-Künstler

Das Bild "Der Anbräuner" – wiederum abgedruckt in der "Zeit" – ist an Plattheit kaum zu unterbieten. Indem es offenbar den Kritiker als mit Exkrementen malenden Möchtegern-Künstler darstellt, bedient das Werk das betagte Vorurteil, Kritiker seien gescheiterte Kunstproduzenten. Das abgeschmackte Eunuchen-Bild also: Der Schreiberling würde auch gern, doch fehlt ihm die Schöpferkraft.

Den Bildraum charakterisiert Neo Rauch als enge, düstere Dachstube. Einzige Lichtquelle ist das miserable, im wahrsten Wortsinn beschissene Gemälde (signiert mit W.U.), das der im Profil gegebene "Künstler" anstarrt, während er den Pinsel an den Hintern hält. Das einzige Fenster im Hintergrund bietet keinen Blick ins Freie. Aber ein Kopf lugt herein, ein Zaungast mit Hitlerbärtchen. Der "Anbräuner" scheint geradezu fixiert auf seine Ideen, offenbar gehört dazu auch, den GröFaZ hinter allem zu vermuten.

Rauchs gemalte Replik legt nahe, dass Kulturkritik keinen Wert hat – außer dass der Kommentator sich persönlich erleichtere und den eigenen Wahnideen anheimfalle. Wer soll in der defäkierenden und zugleich stümperhaft "malenden" Figur zu erkennen sein, wenn nicht Wolfgang Ullrich selbst, der in seinem "Zeit"-Essay über rechte Künstler auch Neo Rauch angegriffen hatte?

Kein Witz und keine Schärfe

Über den Text kann man streiten. Ullrichs These, dass gegenwärtig vor allem rechte Künstler die Kunstfreiheit ins Feld führen, ist allerdings nicht so einfach vom Tisch zu wischen. Neo Rauch wird im Essay übrigens nur am Rand erwähnt und auch nicht pauschal als rechter Künstler tituliert. Ullrich: "Einige Motive rechten Denkens finden sich selbst bei berühmteren Künstlern, allen voran bei Neo Rauch."

Mit Fug und Recht hätte der Künstler darauf antworten dürfen – am besten verbal, in einem Gegentext oder einem Interview. Bilder taugen als Repliken nichts, sie sind keine Argumente. Es sei denn, sie nehmen die Form von Karikaturen an. Dazu fehlt es dem "Anbräuner" definitiv an Witz und Schärfe. Mit Wehmut erinnert man sich an den Neo Rauch bis in die Nullerjahre, dessen surreale Bildwelten sich Verschlagwortungen verweigerten. Als Karikaturist hat er es, so drastisch muss man es leider formulieren, vorerst verkackt.