In einer New Yorker Galerie kann es einem schon mal passieren, dass die Klimaanlage auch bei 35 Grad Außentemperatur arktische Temperaturen produziert. Wenn sich fröstelnde Assistentinnen am Empfangs-Tresen darüber beschweren, bekommen sie einen Heizlüfter an die Füße gestellt. Eine Galerie ist also kein schlechter Ort, um über fragile Klimasysteme und deren Wandel nachzudenken.
Bei Hauser & Wirth in New York kann man sich angesichts der großformatigen Arktis-Landschaften der Künstlerin Lorna Simpson ganz weit weg denken, sich an den überirdischen Blautönen berauschen und sich gleichzeitig die Bedeutung der Gletscherkolosse für die Zukunft der Erde ins Gedächtnis rufen.
Lorna Simpson, die bisher vor allem für ihre Fotografie und Porträt-Collagen bekannt war, löst ihre meist figurativen Darstellungen in der Ausstellung "Darkening" in halbabstrakte Eiswüsten auf. Trotzdem sind die Themen, die sie beschäftigen, die gleichen: Was sehen wir? Wie wird wer dargestellt? Vielleicht ist es bei Personen wie bei Eisbergen. Das meiste liegt unsichtbar unter der Wasseroberfläche, wir sehen nur einen Bruchteil von dem, was da ist und müssen trotzdem ständig vermessen, klassifizieren, bewerten.
Bei ihren monumentalen Arktisbildern, die bei genauerem Hinsehen Collagen aus Fotos und Malerei sind, hat die große Schmelze bereits eingesetzt. Alles tropft und fließt, keine Form ist stabil, wie keine Identität stabil ist. Die Gletscher sind Farbräume, aber auch Räume, in denen sich die Zukunft entscheidet. Und eine mentale Abkühlung sind sie auch, die noch nachklingt, wenn man die Klimazone Galerie wieder verlässt.