Klassentreffen in München: Die Künstlerin Raphaela Vogel lädt Studierende aus Nürnberg zur Performance ins Haus der Kunst ein. Ein Gespräch über Kunstausbildung, Sportwagen und Märchentheater für Erwachsene
Für Ihre Performance im Haus der Kunst in München haben Sie eine ganz alte Verbindung wieder aufgenommen – zur Akademie in Nürnberg, wo Sie angefangen haben, Kunst zu studieren. Was verbindet Sie mit der Akademie?
Die Nürnberger Akademie liegt eingekeilt zwischen Zoo und Altersheim. Dort konnte ich sehr gut meine wesentliche Fragestellung entwickeln: warum ich Kunst mache, und was ich überhaupt machen soll, wenn ich aufstehe. Außerdem habe ich dort die Praxis des total freien Erzählens entwickelt. Mit Michael Hakimi bin ich bis heute im künstlerischen Austausch.
Die Klasse von Ihrem ehemaligen Professor Michael Hakimi wirkt bei der Performance mit. Sie werden unter anderem auf dem Boden liegend eingebaut in ein Kleid. Worum wird es gehen?
Es kämpfen ein riesiger Schmetterling, ein singender Oktopus und ein chinesischer Drache – ein spektakuläres Kindertheater für Erwachsene. Wir performen unter anderem zu einer Soundspur meiner neuesten Videoarbeit aus der Ausstellung "Vogelspinne" in der Galerie BQ in Berlin, zur Musik einer Nürnberger Studentin, Rebecca Prechter, und dem Chor der Kuratorin Anna Schneider, der "Miao" heißt. Es gibt auch einen Text von meinem Onkel, dem Autor Michael Vogel. Es wird eine deftige Performance-Collage mit vielen Gängen und Gesängen. Es geht darum, wie eine Gruppe zusammen agiert: das Individuum im Kollektiv, und im Verhältnis zum Objekt.
Sie haben an drei verschiedenen Orten studiert, zuerst in Nürnberg, dann in Frankfurt an der Städelschule, und zuletzt in Amsterdam. Was zeichnete die Zeit in Nürnberg besonders aus, was war in den anderen Städten das Wichtigste für Sie?
In Nürnberg war es super, da ich dort ein paar Jahre lang in Ruhe und konzentriert in wunderschöner Umgebung, im Wald außerhalb der Stadt arbeiten konnte. Die Haltung der Lehrenden und Studierenden war sehr großzügig. Ich hatte nicht nur ideell einen großen Freiraum, sondern auch praktisch viel Platz, und konnte eine experimentelle Praxis entwickeln. Zum Beispiel habe ich mich getraut, unfertige Arbeiten zur Diskussion zu stellen und auch Unsicherheiten zu thematisieren. Dafür bin ich dankbar. Das war damals auch eine Zeit des Generationswechsels, von konservativen zu sehr progressiven Professorinnen und Professoren. Dort wurde ich an den zeitgenössischen Diskurs und den Betrieb herangeführt. Die Städelschule in Frankfurt war wie ein Selbstverteidigungskurs für mich. Also auch sehr wichtig, obwohl ich jeden Kampfsport zutiefst verachte. Und die Zeit in Amsterdam bei Deateliers eine Synthese aus beidem. Dramaturgisch gesehen, war meine Ausbildung perfekt.
Im Pressetext über die Ausstellung und die Performance geht es unter anderem um die Frage nach "bezahlbaren Sportwagen" – was steht dahinter?
In den 60er-Jahren gab es die ersten Mini Roadster, die als a woman's sportscar auch für die Mittelschicht finanzierbar waren und auch so beworben wurden. Meine Mutter hat so einen von meinem Vater in den 80ern geschenkt bekommen. Dieses Modell, genauer gesagt: die Scheinwerfer dienen nun als Projektor für meinen neuen Film, der durch eine 360-Grad-Drehbühne den ganzen Raum markieren. In der Ausstellung werden Dinge wie Raumnahme und territoriale Verhaltensweisen thematisiert. Der Sportwagen ist vielleicht das stärkste Selbstbehauptungs-Symbol im öffentlichen Raum. Ich frage mich, inwieweit Kreativität und künstlerisches Handeln auch eine territoriale Praxis darstellt, in dem Sinne, dass Kreativität mit Verhaltensweisen von Tieren vergleichbar ist: Tiere markieren ihr Revier mit Tanz, Gesang und Geruch. Durch die Perfomance wird die Installation dann in das Spannungsverhältnis zu kooperativen und kollektiven Formen künstlerischer Produktion gestellt.
In Ihren Videos sind in aller Regel sie selbst zu sehen, welche Erfahrung haben Sie mit der eigenen Präsenz vor Publikum?
Ich trete nie direkt vor Publikum auf. Auch diesmal im Haus der Kunst werde ich nur eine sehr symbolisch aufgeladene Geste vollziehen: Zusammen mit meinem Hund Rollo wecke ich die schlafenden jungen Künstlerinnen auf, und dabei wird Rollo den Schlafenden die Kreativität sehr sanft einhauchen.
Horoskope sollen auch eine Rolle spielen. Welche?
Wir feiern das Jahr des Drachens, obwohl wir gerade im Jahr des Schweins sind.
Wenn Sie irgendwie Einfluss nehmen könnten auf die Lehre an Akademien, was würden Sie ändern?
"Der unwissenden Lehrmeister" von Jacques Rancière, "Madame Bovary" von Gustave Flaubert und Krimis von Georges Simenon als Pflichtlektüre im Basisjahr.