Elmgreen & Dragset

Luxus und Leere

Ihr immer geschlossener Prada-Store ist die schönste Metapher für Begierde und Enttäuschung. Eine neue Monografie zeigt die visuelle Erzählkunst des skandinavischen Künstlerduos Elmgreen & Dragset

Seit 1995 arbeiten Michael Elmgreen und Ingar Dragset fast symbiotisch zusammen – erst als Paar, später als Partner. Obwohl die beiden sicherlich noch lange nicht am Ende ihrer Karriere sind, wirft der monografische Band der "Contemporary Artists Series" von Phaidon einen Blick zurück. Gerade die Anfänge des dänisch-norwegischen Duos, die der New Yorker Kritiker Martin Herbert in seinem Text nachzeichnet, zeigen die Konsequenz, mit der sie ihre Themen durchdeklinieren.

In einer ihrer ersten Performances Mitte der 90er-Jahre zogen sie einander lange, weiße Strickröcke am offenen Faden vom Körper. Der Zeit­lupenstriptease war auch ein Kommentar zu verstaubten Bildern von Männlichkeit. Wenig später nahmen sie ihre eigenen Körper aus der Gleichung und fingen an, die Räumen zugrunde liegenden Machtstrukturen sichtbar zu machen. Ihre fortlaufende Serie der "Powerless Structures" umfasst mittlerweile über 200 Arbeiten, in denen sie den öffentlichen Raum befragen und herausfordern. 1998 bauten sie in einem dänischen Park, der als cruising area für homosexuelle Männer bekannt war, den "Cruising Pavilion / Powerless Structures Fig.55". Dass die Männer sich dort im Dunkeln, im Gebüsch treffen müssen, illustriert den Stand schwulen Lebens in der Gesellschaft. Der Pavillon stellte sich dem radikal entgegen: ein Ort, der für die Bedürfnisse der Cruiser eingerichtet worden war und ihnen einen sicheren und sichtbaren Platz zuwies.

Installation als Bestandsaufnahme der Gesellschaft 
 
Einem breiten Publikum auch außerhalb der Kunstwelt wurden sie bekannt, als sie 2005 eine Prada-Filiale im Ort Marfa in der texanischen Wüste installierten. 
Der voll funktionsfähige, jedoch nie geöffnete Prada-Store mitten im Nirgendwo verweigert sich allen Erwartungen. Gerade im öffentlichen Raum zeigt sich, welche enorme visuelle Qualität die Skulpturen, Szenografien und Performances von Elmgreen & Dragset besitzen.

Ihr erzählerisches Potenzial entdeckten sie spätestens 2005 mit der zuerst in der Bergen Kunsthall in Norwegen gezeigten Ausstellung "The Welfare Show", als sie begannen, den Raum wieder mit Menschen oder zumindest deren Hinterlassenschaften zu füllen. In dieser Bestandsaufnahme des zeitgenössischen Sozialstaates mitsamt seinen Grausamkeiten zeichnen sie anhand von Einrichtungsgegenständen und Skulpturen Schicksale nach. Die Konflikte in potenziell archetypischen Biografien von wohlstandsverwahrlosten Kindern, an ihrem Reichtum vereinsamten Sammlern oder verstummten Dienern werden in präzise gestalteten Szenografien erzählt. 

Dazu hätte man im Künstlerinterview gern mehr erfahren, stattdessen verliert sich das Gespräch mit der amerikanischen Kritikerin Linda Yablonsky gelegentlich
in Phrasen über Kapitalismus und Foucault. Dabei öffnen die Arbeiten selbst über die Jahrzehnte so viele spannende Denk­räume über Ästhetik und das Menschsein und wie beides zusammenhängen könnte.