An Paenhuysen, Wolfgang Müller, "Herrenkunst" - was soll das sein?
An Paenhuysen: Genau diese Frage wollen wir mit der Ausstellung selbst aufwerfen. Den Terminus "Frauenkunst" hört man immer wieder, diese Kunst wird oft mit der Auseinandersetzung mit Körpern oder mit der eigenen Biografie in Verbindung gebracht. So viele Ausstellungen beschäftigen sich explizit mit der Kunst von Frauen. "Frauen und Dada", "Frauen und Surrealismus", die "elles"-Ausstellung im Centre Pompidou. Wie seltsam wäre es, sich mit "Männern und Dada" zu beschäftigen? Das klingt absurd.
Wolfgang Müller: Wir waren vor allem auf der Suche nach Männergesten, die man auf den ersten Blick nicht als männlich wahrnimmt.
Schaut man sich die Werke an, wirkt der Ansatz ja eher feministisch.
Müller: Ja, das ist eine sehr emanzipative Ausstellung. Im Moment gibt es sehr viele Männer, die sich verfolgt fühlen. Die denken, wegen Gendersternchen oder Frauenprotesten geht die Welt unter. Das nervt mich. Das ist so öde.
Wie haben Sie die sechs Künstler ausgewählt?
Müller: Wir wollten gute männliche Kunst ausstellen, die nicht platt ist. Und die ist gar nicht so leicht zu finden. Natürlich hätten wir auch eine Schau nur mit Machogesten von Baselitz machen können. Oder Jonathan Meese zeigen, der ein Macho-Image mit dem Bild des etwas irren Künstlers vermischt.
Paenhuysen: Da wollten wir genau nicht aufspringen. Als Baselitz behauptet hat, Frauen könnten nicht malen, wurde das ewig in den Medien besprochen. Dabei ist doch klar, dass er das nur tut, um die Preise hochzutreiben.
Müller: Was er da gesagt hat, ist nicht einmal frauenfeindlich. Es ist einfach dumm.
Stattdessen zeigen Sie zum Beispiel Kunst von Daniel Chluba, der mit seiner Aktion "Free Hasskäppchen!" ein künstlerisches Statement zum Burkaverbot in Österreich setzt. Er spazierte in seinem Hasskäppchen - einer roten, knielangen, gestrickten Wollmütze mit Bommel - durch Wien und wurde verhaftet.
Müller: Ja, dieses Werk ist auf vielen Ebenen spannend. Über die Burka wird so viel diskutiert. Bei dem Thema nehmen auf einmal extrem rechts eingestellte Männer eine feministische Position ein. Doch Chluba bricht in seinem Werk die Fixierung auf die Frau, indem er als Mann sich verhüllt.
Paenhuysen: Unter seinem Gewand ist er nackt - das ist auch so ein Aspekt. Die Freiheit der Frau wird so oft über Kleidung definiert. Entweder Frauen sollen sich verhüllen oder nackt sein.
"Die Tödliche Doris", die Sie, Herr Müller, mit Nikolaus Utermöhlen 1980 gegründet haben, macht das Gegenteil: nackte Männer und angezogene Frauen auf der Bühne. Wieso?
Müller: Ich finde es einfach gut, das mal umzudrehen. Wenn die Männer nackt auf dem Boden sitzen und die Frauen angezogen auf ihrem Rücken. Das sind wir nicht gewohnt zu sehen. Und das ist der Punkt - eigentlich ist es das gleiche, ob jetzt die Frau nackt ist oder der Mann, aber das ist es für uns eben nicht. Bis heute sind Frauen bei Performances oft nackt, Männer nicht. Die gezeigte Arbeit Hommage an Allen Jones schließt an die Diskussion an, ob die Skulpturen von Allen Jones sexistisch sind. Er zeigte Frauenkörper, mit Reizwäsche bekleidet, die zum Tisch oder zum Stuhl umfunktioniert waren.
Wieso haben Sie Hartmut Andryczuk ausgewählt, der eine Auswahl von Reproduktionen von Hitlers Zeichnungen und Gemälden übermalt hat?
Paenhysen: Uns hat vor allem auch Kunst interessiert, die Brüche hat.
Müller: Die Zeichnungen Adolf Hitlers sind erst einmal albern und dumm, banal. Doch er als Mann war größenwahnsinnig und gefährlich. Die Bilder haben nichts davon, sie sind einfach schlecht. Die Idee, sie zu übermalen, ist irgendwie genial. Und: Kann man sich vorstellen, dass eine Frau das gemacht hätte? Paenhuysen: Diese Frage haben wir uns immer wieder gestellt. Denn bei vielen Dingen ist es selbstverständlich oder normal, wenn Männer es tun. Bei Frauen finden wir es dann plötzlich ungewöhnlich oder komisch.
Anscheinend treffen Sie mit Ihrem Ansatz einen Nerv. Der Berliner Projektraum Display hat zwei Wochen vor Beginn der Ausstellung überraschend die Zusammenarbeit aufgekündigt. Warum?
Paenhuysen: Das kam wirklich aus heiterem Himmel. Die Betreiberin Marie DuPasquier wusste genau, was wir planen.
Müller: Sie meinte, sie habe ethische und innere Zweifel an den Werken, die wir ausstellen.
Paenhuysen: Die Ausstellung sei zu "straight". Das ist aber Quatsch.
Müller: Wahnsinnig interessant ist, dass wir jetzt in einem Ort ausstellen, der alles andere als straight ist - im Hinterzimmer im Art Space Barbiche. Die Inhaberin Lena Braun ist eine queere Frau – sie hat uns gut verstanden.